Zuweisungs- und Kooperationsverbote für Ärzte bei der Verordnung Digitaler Gesundheitsanwendungen und ihre strafrechtlichen Folgen
Bei der Verordnung von Digitalen Gesundheitsanwendungen („DiGAs“) gelten für Ärzte strenge Zuweisungs- und Kooperationsverbote (§ 33a Abs. 5 SGB V). Verstöße gegen diese Verbote können im Einzelfall zu einer Strafbarkeit der Beteiligten führen. DiGA-Hersteller und Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Vertragspsychotherapeuten sollten sich mit diesen Vorgaben frühestmöglich auseinandersetzen. Durch die richtigen Vorkehrungen kann das Risiko von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und medialen Schlagzeilen reduziert werden.
Sozialrechtliches Zuweisungsverbot
Das Zuweisungsverbot richtet sich an Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Vertragspsychotherapeuten. Es ist ihnen untersagt, Verordnungen von DiGAs unmittelbar oder mittelbar einem bestimmten Leistungserbringer zuzuweisen (§ 33a Abs. 5 S. 1 SGB V). Auf den ersten Blick mag diese Regelung verwirren. Schließlich werden DiGAs nicht nur indikationsbezogen, sondern immer produktspezifisch unter der Verwendung einer DiGA-individuellen PZN verordnet. Die produktbezogene Verordnung soll durch das Zuweisungsverbot jedoch unberührt bleiben. Der Gesetzgeber hatte vielmehr den Fall vor Augen, dass Vertragsärzte eine Verordnung einbehalten und diese dem DiGA-Hersteller selbst übermitteln. Die Regelung ist durch die Erfahrungen aus dem Bereich der Arznei- und Verbandsmittelverordnungen sowie der Hilfsmittelverordnungen beeinflusst, wo ebenfalls gesetzliche Zuweisungsverbote geschaffen wurden. Durch das Zuweisungsverbot für DiGAs wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die ärztlichen Entscheidungen wirtschaftlich und ausschließlich anhand der medizinischen Notwendigkeit ausgerichtet sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verordnung elektronisch oder in Papierform erfolgt (§ 33a Abs. 5 S. 4 SGB V).
Sozialrechtliches Kooperationsverbot
Darüber hinaus dürfen Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Vertragspsychotherapeuten mit DiGA-Herstellern nicht zum Zwecke der Zuweisung von Verordnungen oder der Übermittlung von Verordnungen kooperieren (§ 33a Abs. 5 S. 2 SGB V). Gemäß dem Kooperationsverbot sind jegliche Rechtsgeschäfte (Kooperationsverträge) und Absprachen (faktische Kooperationsverhältnisse oder abgestimmte Verhaltensweisen) untersagt, die eine unmittelbare oder mittelbare Zuweisung oder Übermittlung von Verordnungen ermöglichen. Zudem sind sämtliche Übermittlungshandlungen erfasst, die außerhalb der vorgesehenen Verordnungswege stattfinden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verordnung elektronisch oder in Papierform erfolgt (§ 33a Abs. 5 S. 4 SGB V). Durch das Kooperationsverbot soll der Eindruck vermieden werden, dass Vertragsärzte Teil eines Vertriebssystems sind. Auf einen persönlichen finanziellen Vorteil des Arztes kommt es nach Ansicht des Gesetzgebers nicht an. Damit ist das Kooperationsverbot sehr weit ausgestaltet und geht deutlich über die strafrechtlichen Korruptionsvorschriften hinaus.
Das Kooperationsverbot gilt auch für Dritte, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen. Damit sind, wie im Apothekenrecht, insbesondere Anbieter digitaler Vermittlungsplattformen erfasst. Das Makeln von Verordnungen über digitale Vermittlungsplattformen ist somit unzulässig.
Ausnahmen vom sozialrechtlichen Zuweisungs- und Kooperationsverbot
Die Verbote gelten nicht, wenn gesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Von dieser Ausnahme sind insbesondere die §§ 67, 140a SGB V erfasst, die zur Nutzung von Verordnungsverfahren innerhalb der Telematikinfrastruktur ein Zusammenwirken erforderlich machen.
Darüber hinaus gelten die Verbote nicht, wenn aus medizinischen Gründen im Einzelfall ein anderes Vorgehen geboten ist. Eine Erklärung, wann eine Zuweisung oder Kooperation aus medizinischen Gründen im Einzelfall geboten ist, enthält die Gesetzesbegründung zu § 33a Abs. 5 SGB V nicht. Es ist davon auszugehen, dass davon nur eng umgrenzte Fälle erfasst sind, in denen eine beschleunigte Versorgung derart geboten ist, dass sie nur durch eine unmittelbare Zuleitung an einen Leistungserbringer gewährleistet werden kann. Diese Dringlichkeit muss sich aus der Behandlungsdokumentation ergeben.
Strafrechtliche Folgen
Ein Verstoß gegen das Zuweisungs- oder Kooperationsverbot kann auch mit strafrechtlichen Folgen verbunden sein. Abhängig vom Einzelfall kommen Strafbarkeiten wegen
- Abrechnungsbetrugs (§ 263 Abs. 1 StGB),
- Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitsweisen (§§ 299a, b StGB)
- oder wegen Untreue (§ 266 StGB)
in Betracht. Eine Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs kommt – im Gegensatz zu einer Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen – sogar dann in Betracht, wenn die Kooperationsabrede nicht mit einem Vorteil für den Arzt verbunden ist. Schließlich setzt das Kooperationsverbot nach § 33a Abs. 5 S. 2 SGB V einen solchen gerade nicht voraus und ein Verstoß führt – auch ohne Vorteil für den Arzt – zum Erlöschen seiner Honorarforderung.
Die Hürden für die Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens wegen dieser Delikte sind gering. Es reicht das Vorliegen eines Anfangsverdachts aus. Hierunter versteht man, dass aufgrund bestimmter Tatsachen nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass Straftaten begangen wurden. Oft reicht schon die Behauptung durch einen Patienten oder einen Wettbewerber aus, dass eine unzulässige Kooperation vorliegt. Anonyme Anzeigen können unter bestimmten Umständen sogar auch ausreichen. Melden Sie sich gerne bei uns, wenn Sie wegen dieser Delikte eine Ladung zur Beschuldigtenvernehmung erhalten. Wir verteidigen Sie in allen strafrechtlichen Instanzen.
Auch wenn man das Risiko eines Ermittlungsverfahrens nie ganz ausschließen kann, kann man dieses durch bestimmte Maßnahmen deutlich reduzieren. Die vorbenannten Delikte sind allesamt Vorsatzdelikte. Ein starkes Argument gegen vorsätzliches Handeln liegt in dem ernstgemeinten Bemühen, die sozialrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Dies gilt sowohl für den Vertragsschluss als auch dessen dauerhafte praktische Ausgestaltung. Es ist sinnvoll, geplante Kooperationen vorab anwaltlich auf eine Übereinstimmung mit den Zuweisungs- und Kooperationsverboten prüfen zu lassen. Dadurch entkräftet man den in Ermittlungsverfahren immer wiederkehrenden Vorwurf, dass die Kooperation von Beginn an mit krimineller Energie betrieben wurde. Darüber hinaus zeigt die Schaffung von internen Verhaltensrichtlinien und Vorgaben (Compliance-Systeme) sowie die Überwachung der Einhaltung dieser Vorgaben, dass auch die gelebte Praxis der Kooperation nicht auf einen bewussten Verstoß angelegt war. Wir unterstützen Sie gerne mit der Begutachtung von geplanten Kooperationsmodellen und der Etablierung von robusten Criminal-Compliance-Systemen für die gesamte Lebensdauer der Kooperation.