Wonach bemisst sich die Höhe der Verbandsgeldsanktion?

Wenn das Verbandssanktionengesetz (VerSanG) in Kraft tritt, werden unternehmensbezogene Straftaten für Unternehmen ein finanzielles Risiko darstellen. Wie hoch dieses Risiko in Form der Verbandsgeldsanktion sein wird, ist eine Frage der Sanktionszumessung.

Das VerSanG-E sieht vor, dass die Sanktionszumessung in zwei Schritten erfolgt:

  1. Zunächst muss der relevante Sanktionsrahmen bestimmt werden. Hierunter werden die maximal zulässigen Mindest- und Höchstsummen verstanden, die als Sanktion festgelegt werden dürfen.
  2. Danach erfolgt die konkrete Sanktionszumessung. Bei der Sanktionszumessung müssen bestimmte Parameter des Einzelfalls gegeneinander abgewogen werden.

Sanktionsrahmen

Den Sanktionsrahmen gibt § 9 VerSanG-E vor. Er wird zum einen davon abhängen, ob die Verbandstat vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Zum anderen wird es darauf ankommen, wie hoch der Umsatz des betroffenen Verbandes ist.

Bei Vorsatz ist ein Rahmen von mindestens 1.000 Euro und höchstens 10.000.000 Euro vorgesehen. Bei einer fahrlässigen Tat halbiert sich der vorbenannte Sanktionsrahmen. Beträgt der durchschnittliche Jahresumsatz eines Verbandes mehr als 100.000.000 Euro, steigen die Werte: Für Vorsatztaten wird das Mindestmaß dann 10.000 Euro betragen. Das Höchstmaß hingegen wird sich auf 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes belaufen. Bei fahrlässig begangenen Verbandstaten halbiert sich der Sanktionsrahmen wiederum.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass auf diesen Sanktionsrahmen im Wege von Internal Investigations Einfluss genommen werden kann. Dies folgt aus § 17 Abs. 1 VerSanG-E. Danach soll das Gericht unter bestimmten im Gesetz genannten Voraussetzungen die Verbandssanktion mildern. Das jeweilige Höchstmaß der Sanktion reduziert sich dann um die Hälfte und das Mindestmaß entfällt.

Erfüllt der Verband die Voraussetzungen hingegen nicht alle, entfällt die Möglichkeit der mildernden Sanktionsrahmenverschiebung. Die Bemühungen, den Sachverhalt eigenständig aufzuklären, werden dann nur bei der konkreten Sanktionszumessung berücksichtigt.

Konkrete Sanktionszumessung

Die Parameter, die bei der konkreten Sanktionszumessung zu beachten sein werden, gibt § 15 VerSanG-E vor.

Als Grundlage für die Sanktionsbemessung soll zunächst die Bedeutung der Verbandstat herangezogen werden. Hierfür werden der Unrechtsgehalt der Tat und deren Auswirkung auf den geschützten Ordnungsbereich maßgeblich sein (vgl. Reg-E, Stand: 16.06.2020, S. 92). Weitere Kriterien sollen dann ins Spiel kommen, wenn die Verbandstat nicht von einer Leitungsperson begangen wurde. In diesem Fall soll auch berücksichtigt werden, inwiefern angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung der Verbandstat fehlten. Hier wird es also darauf ankommen, ob das Unternehmen ein robustes Compliance-System aufgebaut hat.

Der VerSanG-E sieht zudem vor, dass zusätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbandes berücksichtigt werden. Darüber hinaus können sich weitere Zumessungstatsachen sanktionsschärfend bzw. sanktionsmildernd auswirken. § 15 Abs. 3 VerSanG-E listet insofern verschiedene Umstände auf, die bei der Bemessung der Verbandsgeldsanktion gegeneinander abzuwägen sind.

So soll etwa der Vorwurf, der den Täter der Verbandstat trifft, zu berücksichtigen sein. Dies soll jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn die schuldrelevanten Umstände verbandsbezogen sind. Das meint, dass die individuelle Schuld durch das Unternehmensumfeld bzw. eine kriminelle Verbandsattitüde beeinflusst wurde (Reg-E, Stand 16.06.2020, S. 94). Einen weiteren Zumessungsgesichtspunkt werden die Beweggründe und Ziele des Täters der Verbandstat darstellen. Auch hier wird es auf die Verbandsbezogenheit ankommen. Diese soll z.B. dann gegeben sein, wenn der Täter durch einen unverhältnismäßig hohen Leistungsdruck des Verbandes beeinflusst wurde (Reg-E, Stand 16.06.2020, S. 94).

Ein zentrales Kriterium für die Sanktionszumessung wird sein, ob der Verbandstat bereits weitere vorausgegangen waren. Ist der Verband bereits vorbelastet, wird sich dies sanktionsschärfend auswirken; ist er dies nicht, wird das strafmildernd zu berücksichtigen sein. Dasselbe gilt, wenn der Verband Vorkehrungen gegen Verbandstaten getroffen hat, insbesondere ein Compliance-System etabliert hat.

Auch das Nachtatverhalten kann sanktionsmildernd berücksichtigt werden. Neben der Schadenswidergutmachung spielt hier eine Rolle, ob das Unternehmen Defizite in der Compliance-Struktur behoben hat. Auch Bemühungen des Unternehmens, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen, soll sich strafmildernd auswirken.

Bewertung

Dass das VerSanG-E vorsieht, dass interne Untersuchungen den Sanktionsrahmen verschieben, ist zu begrüßen. Bedauerlich ist jedoch, dass die Strafrahmenverschiebung von sehr strengen und unbestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Viele der Voraussetzungen des § 17 VerSanG-E sind subjektiv gefärbte Einzelfallbewertungen. Das gilt z.B. für die Begriffe des wesentlichen Aufklärungsbeitrags oder auch der ununterbrochenen und uneingeschränkten Zusammenarbeit. Diese lassen sich nur schwer an objektiven Maßstäben messen und erscheinen mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot bedenklich.

Auch sind viele praktisch relevante Fragen noch offen. Beispielhaft weist der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. September 2020 darauf hin, dass völlig ungeklärt sei, ob eine ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit auch dann gegeben ist, wenn der gesetzliche Vertreter des Verbandes von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 33 VerSanG-E Gebrauch machen wird (BR-Drs. 440/20 (Beschluss) S. 16).

Neben diesen Problemen auf Tatbestandsseite sorgt auch die Rechtsfolgenseite für Unsicherheiten. Derzeit kann nicht abschließend bewertet werden, wie die „Soll“-Vorschrift in der Praxis angewendet wird. Klar ist, dass das Ermessen zugunsten der Sanktionsrahmenmilderung gebunden wird. Eine Versagung der Milderungsmöglichkeit wird trotz gegebener Voraussetzungen daher jedenfalls nur bei besonders atypisch gelagerten Sachverhalten vorkommen. Gleichwohl sorgt diese Möglichkeit auf Seiten der Verbände für erhebliche Unsicherheiten. Eine zwingende Strafmilderung wäre sachgerechter gewesen.

Die bei vielen Verbänden vorhandene Unsicherheit wird auch in Bezug auf die konkrete Sanktionszumessung deutlich. Mehrere Verbände kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme (u.a. BCM, BDA, BDI), dass unklar bleibe, wie die einzelnen Faktoren zu gewichten und anzuwenden seien. Die Sanktionshöhe liege letztlich im weiten Ermessen der Behörden und Gerichte (Stellungnahme vom Juni 2020). Die Sanktionszumessung wird unbestritten aufgrund der Unbestimmtheit der Faktoren zu Beginn mit Unvorhersehbarkeiten verbunden sein. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass die Sanktionszumessung zu den ureigensten und täglichen Aufgaben der Strafgerichte zählt. Dabei sieht auch das Strafgesetzbuch eine Abwägung von abstrakten Parametern vor. Ein Punktesystem ist auch dort nicht vorgesehen. Insofern muss den mit der Sanktionszumessung befassten Richtern ein gewisser Vertrauensvorschuss zugestanden werden.

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