Was ist ein Verband im Sinne des Verbandssanktionengesetzes? Welche Einschränkungen sieht das Gesetz vor?

Was sind Verbände?

Gemäß § 2 Abs. 1 VerSanG-E sind Verbände juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften. Auch ausländische Rechtsträger unterfallen – wie es bereits bisher bei § 30 OWiG der Fall war – dem VerSanG-E, wenn die Typologie des ausländischen Verbandes rechtlich mit derjenigen einer deutschen juristischen Person oder Personenvereinigung vergleichbar ist. Das VerSanG deckt sich insofern inhaltlich mit der bisherigen Rechtslage. Es hält auch weiterhin am Rechtsträgerprinzip fest, statt jede wirtschaftlich tätige Einheit unabhängig von der Rechtsform zu erfassen.

Welche Verbände erfasst das VerSanG im Einzelnen?

1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts

Diese werden in § 2 Abs. 1 Nr. 1 a) VerSanG-E geregelt. Juristische Personen sind alle sozialen Organisationen, denen die Rechtsordnung eine Rechtspersönlichkeit zuerkennt. Bereits in der alten Rechtslage waren juristische Personen des öffentlichen Rechts vom Anwendungsbereich des OWiG erfasst, wenngleich es hierzu auch kritische Stimmen gab. Die ausdrückliche Erwähnung juristischer Personen des öffentlichen Rechts im VerSanG-E dürfte mithin der Klarstellung gedient haben. Erfasst werden als juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen.

Juristische Personen des Privatrechts sind insbesondere Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften, die Europäische Gesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Genossenschaft und rechtsfähige Vereine und Stiftungen. Konzerne als solche fallen nicht hierunter, wenngleich es für die Bemessung der Sanktionshöhe relevant werden kann, ob der betreffende Verband einem Konzern angehört.

2. Nicht rechtsfähige Vereine

Auch nicht rechtsfähige Vereine werden vom Verbandssanktionengesetz erfasst. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) VerSanG-E handelt es sich bei einem rechtsfähigen Verein um eine auf Dauer angelegte Personenvereinigung, deren Bestand vom Mitgliederwechsel unabhängig ist und die der Erreichung eines gemeinsamen, selbst gesetzten Zweckes dient. Diese ist von der Personengesellschaft abzugrenzen.

3. Rechtsfähige Personengesellschaften

Zuletzt erfasst das Verbandssanktionengesetz rechtsfähige Personengesellschaften, § 2 Abs. 1 Nr. 1. c) VerSanG-E. Dies umfasst Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen, Partnerschaftsgesellschaften sowie die Außengesellschaften des bürgerlichen Rechts.

Einschränkung bei hoheitlichem Handeln

Eine Verbandssanktion wird nicht verhängt wegen einer Verbandstat, die in Vornahme hoheitlichen Handelns begangen wurde, § 5 Abs. 3 VerSanG-E. Faktisch bedeutet das, dass insbesondere juristische Personen des öffentlichen Rechts, die hoheitliche Befugnisse ausüben, nicht unter das Verbandssanktionengesetz fallen. Dasselbe gilt für natürliche und juristische Personen des Privatrechts, wenn ihnen hoheitliche Befugnisse ausdrücklich durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag übertragen werden und sie sodann in eigenem Namen und in eigener Verantwortung diesbezüglich tätig werden, sog. Beliehene. Hier sollen statt einer Verbandssanktion Kontroll- und Aufsichtsmechanismen des öffentlichen Rechts greifen. Die Gesetzesbegründung nennt als von § 5 Abs. 3 VerSanG-E erfasste Beispiele Gemeinden, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder Beliehene.

Doch was ist hoheitliches Handeln? Darunter fallen jene Aufgaben, deren Erfüllung dem Staat Kraft öffentlichen Rechts obliegt. Diese Erfüllung geschieht durch mittelbare und unmittelbare Staatsverwaltung. Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich nach der Rechtsprechung danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2012 – 12 U 105/12). Nicht dagegen kommt es darauf an, ob die handelnde Person den Beamtenstatus hat oder in einem sonstigen Anstellungsverhältnis steht.

Man wird sich im Einzelfall also – unter Berücksichtigung des konkreten Aufgabenbereichs – umfassend der Frage widmen müssen, was den Kern der Aufgaben des betreffenden Verbandes ausmacht. Im zweiten Schritt wird man sich sodann der Frage widmen müssen, ob die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit deren Wahrnehmung gedient hat. Es wird bei der Frage der hoheitlichen Befugnisse auch darauf ankommen, auf welcher Grundlage der jeweilige Verband tätig geworden ist.

Die Einordnung wird bei einem originär hoheitlichen Handeln – etwa wenn in Form eines Verwaltungsakts gehandelt wurde – keine Probleme bereiten. Schwieriger dürfte die Einordnung in Zusammenhang mit Tätigkeiten sein, die zwar auf einer hoheitlichen Grundlage basieren, bei denen der Fokus aber mehr auf der Abwicklung und Durchführung liegt. So hat der BGH beispielsweise die Rückabwicklung notleidend gewordener Sparkassenkreditverträge nicht mehr als Teil der öffentlichen Kreditversorgung der Bevölkerung im Rahmen der Daseinsvorsorge bewertet, da diese Tätigkeit im Interesse der Anteilseigner läge (BGH NStZ 2020, 271 ff.).

Ebenfalls schwierig dürfte sich die Einordnung bei fiskalischen Hilfsgeschäften verhalten. Es handelt sich dabei um erwerbswirtschaftliches Handeln der öffentlichen-rechtlichen Hand zur Bedarfsdeckung und Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben. Hierbei nimmt die jeweilige Einheit wie ein Unternehmer am Wirtschaftsleben teil. Hier könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass diese Tätigkeiten als Annex zur hoheitlichen Tätigkeit zu qualifizieren sind. Es wird wohl auf eine Prüfung der Zielrichtung ankommen und ob ein enger äußerer und innerer Zusammenhang zu dem Bereich der hoheitlichen Betätigung gegeben ist.

In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber auf eine aktuelle Bußgeldentscheidung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg hingewiesen, der – laut Pressemeldung der Behörde vom 30.06.2020 – gegen eine gesetzliche Krankenkasse, d.h. eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein Bußgeld in Höhe von 1,24 Mio. Euro verhängt hat (siehe auch Wybitul, CR-online.de Blog vom 30. Juni 2020: „Datenschutzbehörde verhängt bei leichtem Verstoß 1,2 Mio. Euro Bußgeld – Bewertung und Folgen“). Zwar werden gemäß § 43 Abs. 3 BDSG gegen Behörden und sonstige öffentliche Stellen keine Geldbußen verhängt. Jedoch gelten diese als nichtöffentliche Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen (§ 2 Abs. 5 BDSG, § 2 Abs. 6 LDSG BW).

Einschränkung bei nicht wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb

Vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden nach § 1 VerSanG-E nur solche Verbände, die einen Zweck verfolgen, der auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist gegenüber der „inoffiziellen“ Vorgängerversion des Referentenentwurfs vom 15. August 2019 in die Fassung vom 20. April 2020 neu eingefügt und sodann im Regierungsentwurf vom 16. Juni 2020 übernommen worden.

Diese Einschränkung wirft viele Fragen auf, die wir ausführlich in einem eigenen Blogbeitrag behandeln werden. Vorab sei allerdings bereits Folgendes festgehalten: Weder § 1 des Referenten- bzw. des Regierungsentwurfs noch die Begründung enthalten eine Definition, was unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu verstehen ist. Es heißt dort lediglich, die Frage, ob ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt werde, sei nach den zu §§ 21, 22 des BGB entwickelten Grundsätzen für die Unterscheidung zwischen ideellen und wirtschaftlichen Vereinen zu beantworten (RegE vom 16. Juni 2020, S. 71). Weiter findet sich sodann die Erläuterung, dass Verbände, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, regelmäßig in hohem Maße durch ehrenamtliches Engagement gekennzeichnet sind und insbesondere gemeinnützigen Zwecken dienen (RegE vom 16. Juni 2020, S. 72).

Innerhalb der Stimmen, die sich mit dem Anwendungsbereich des VerSanG beschäftigen, vernimmt man – wohl in Auslegung dieser Erläuterung – teilweise  ohne weitere Differenzierung, dass damit gemeinnützige Verbände nicht unter das Verbandssanktionengesetz fallen würden. Der Gesetzgeber dürfte mit dieser Erläuterung jedoch nicht grundsätzlich alle gemeinnützigen Verbände aus dem Regelungsbereich herausgenommen haben. Dies kann schon deswegen nicht anders verstanden werden, da auch gemeinnützige Verbände sich wirtschaftlich betätigen dürfen: Die besagte BGH-Entscheidung bringt deutlich zum Ausdruck, dass auch ein Idealverein in einem bestimmten Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen kann. Man wird also im Einzelfall untersuchen müssen, ob eine Tätigkeit vorgelegen hat, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt wurden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging. Hier könnte insbesondere auch auf die steuerrechtliche Einordnung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs rekurriert werden.

Gibt es Einschränkungen für kleine und mittlere Unternehmen?

Eine Einschränkung nach der Größe der jeweiligen Adressaten ist nicht vorgesehen. Vorgesehen ist lediglich eine Deckelung der möglichen Geldsanktion auf maximal fünf bzw. zehn Millionen Euro, sofern der durchschnittliche Jahresumsatz unter 100 Mio. Euro liegt. An dieser Stelle sei – mit Blick auf die Stellungnahmen zum Referentenentwurf erwähnt – dass es im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich der kleinen und mittleren Unternehmen, der sog. „KMU“, zu einzelnen Aspekten des Gesetzes viele kritische Stimmen gegeben hat, die zumindest stellenweise eine Berücksichtigung der Größe der Unternehmen forderten.
So hieß es beispielsweise, dass es mit Blick auf die Möglichkeiten von KMU keinen Zwang geben dürfe, Compliance-Systeme einzuführen. Dies sei schon deshalb inakzeptabel, weil es keine differenzierten Standards von Compliance-Maßnahmen gebe, die für kleine und mittlere Unternehmen ebenso adäquat wären wie für große international tätige Unternehmen. Vorgaben würden voraussichtlich vor allem der Beraterbranche zugutekommen und ausschließlich zu deren Gunsten für neue Einnahmequellen sorgen (z.B. Stellungnahme HDE vom 28. Juni 2020). Das Trennungsgebot interner Ermittlungen in Betrieben zur Unternehmensverteidigung sei nur für Großunternehmen praxisgerecht, jedoch für „KMU“ ungeeignet (AG Mittelstand aus „Juni 2020“). Soweit ersichtlich geht der am 16. Juni 2020 veröffentlichte Regierungsentwurf hierauf nicht ein.
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Unternehmensstrafrecht

Dr. Katharina Schomm ist Senior Legal Counsel Strafrecht bei Vodafone. Dort berät sie als Syndikusrechtsanwältin in der Rechtsabteilung die Fachbereiche und die Unternehmensleitung zu allen wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen und zu Criminal Compliance. Bis Ende 2021 war sie Partnerin bei Wessing & Partner.