Strafrechtliche Haftung von Managern – die Basics
Unternehmerisches Handeln bedeutet auch Risiken einzugehen. Unternehmern und Managern ist das meist klar. Was viele unterschätzen: Nicht nur ihr eigenes Tun kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Sie haften im Zweifel auch für Fehltritte anderer im Unternehmen. Und selbst wenn strafrechtliche Grundkenntnisse vorhanden sind, werden Situationen bisweilen falsch eingeschätzt. Welche Anknüpfungspunkte bietet das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Manager in die Haftung zu nehmen? Hier einige Basics.
Strafrechtliche Managerhaftung – was heißt das überhaupt?
Grundsätzlich gilt, dass Manager, also Leitungspersonen im Unternehmen, für ihr eigenes Tun persönlich einstehen müssen. Ein profanes Beispiel: Manager, die Mitarbeiter mit ehrverletzenden Äußerungen herabwürdigen, machen sich wegen Beleidigung nach § 185 StGB strafbar. Hier gilt also für Manager nichts anderes als für jedermann.
Im Unternehmensstrafrecht geht es indessen um die Zurechnung für aus dem Unternehmen heraus begangene Straftaten. Das heißt konkret: Der Manager haftet im Zweifel auch dann, wenn er selbst gar nicht tätig geworden ist. Dieser Aspekt macht die Managerhaftung so komplex und riskant für die handelnden Personen.
Organ-, Vertreter- und Beauftragtenhaftung
Es gibt einige Straftatbestände, die nur von einem bestimmten Täterkreis begangen werden können.
Beispiel: Nach § 266a StGB macht sich der Arbeitgeber strafbar, wenn er keine Sozialversicherungsbeiträge abführt.
In Unternehmenskonstellationen ergibt sich dabei folgendes Problem: Der Arbeitgeber ist in der Regel das Unternehmen selbst, z.B. die GmbH oder die AG. Die GmbH kann als sog. juristische Person aber nicht selbst handeln (also auch keine Beträge abführen bzw. vorenthalten). Sie bedient sich dafür ihrer „Organe“. Bei der GmbH ist das der Geschäftsführer, bei der AG der Vorstand. Damit das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen nicht straflos bleibt, greift § 14 StGB ein. Danach werden strafbegründende Tatbestandsmerkmale dem Organ, Vertreter oder Beauftragten des Unternehmens zugerechnet. Oder anders: Die Pflichten des Unternehmens (etwa als Arbeitgeber) werden auf dessen Leitungspersonen „übertragen“. Diese können dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
§ 14 StGB betrifft ausschließlich Leitungspersonen. Konkret sind das:
- Die Organe einer juristischen Person (z.B. der Geschäftsführer einer GmbH oder die Vorstandsmitglieder einer AG, SE, eines Vereins oder einer Stiftung),
- vertretungsberechtigte Gesellschafter und gesetzliche Vertreter einer Personengesellschaft (z.B. einer oHG, GbR, Komplementäre einer KG, Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG, persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA),
- Partner einer Partnerschaftsgesellschaft sowie
- jemand, der mit der Leitung des Betriebs beauftragt ist oder
- in eigener Verantwortung Aufgaben erfüllt, die dem Inhaber des Betriebs obliegen.
Eine parallel laufende Regelung findet sich für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten in § 9 OWiG.
Mittelbare Täterschaft (vertikale Zurechnung)
Aufgrund der arbeitsteiligen Organisation von Unternehmen führen in der Regel nicht die Manager selbst die unternehmerischen Entscheidungen aus, sondern nachgeordnete Mitarbeiter. Manager von Unternehmen können sich trotzdem als mittelbare Täter gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar machen.
Diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass der Manager als „Hintermann“ den Mitarbeiter als „Werkzeug“ für sich instrumentalisiert. Dabei nutzt der Manager zur Begehung der Tat die berufsbedingt unterlegene Stellung oder einen Irrtum des Mitarbeiters aus und beherrscht das Geschehen kraft Willensherrschaft.
Beispiel: Der Geschäftsführer eines Pharmaunternehmens weist seine Mitarbeiter an, die Chemieabfälle in einem nahgelegenen Fluss zu entsorgen. Er behauptet wahrheitswidrig gegenüber den Mitarbeitern, dass eine behördliche Genehmigung hierfür vorliege. Hier unterliegen die Mitarbeiter einem sog. Erlaubnistatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB analog. Sie handeln also nicht in strafbarer Weise. Der Geschäftsführer hingegen ist als Hintermann gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar wegen Gewässerverunreinigung gem. § 324 StGB.
Im Unternehmensbereich gibt es hierzu noch eine – wenn auch umstrittene – Besonderheit: Nach der sog. Mauerschützen-Rechtsprechung des BGH (BGHSt 40, 218; BGHSt 45, 270) kommt eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Täterschaft auch dann in Betracht, wenn der Mitarbeiter voll verantwortlich handelt, also keinem Strafbarkeitsdefizit (insbesondere einem Irrtum) unterliegt. Schon die Überlegenheit des Managers soll eine „normative Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft“ begründen können.
Denn Entscheidungen von Vorgesetzten lösen nach Ansicht des BGH „regelhafte Abläufe“ aus, die „nahezu automatisch“ zur vom Entscheidungsträger gewünschten Tatbestandserfüllung führen (BGH, NStZ 2008, 89). Mit anderen Worten geht der BGH davon aus, dass Anweisungen des Managers in der Regel immer ausgeführt werden. Der Manager soll sich insoweit nicht hinter dem Mitarbeiter als ausführende Person „verstecken“ können, sondern für seine Anweisung strafrechtlich verantwortlich sein.
Mittäterschaft (horizontale Zurechnung)
Wenn Manager gemeinsam mit anderen Managern oder Mitarbeitern Straftaten planen und begehen, können sich die Beteiligten als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) strafbar machen. Voraussetzung dafür sind ein gemeinsamer Tatplan und ein jeweils eigener Tatbeitrag. Es reicht also nicht, dass einzelne Leitungspersonen unabhängig und ohne Wissen voneinander strafrechtlich relevant handeln, um als Mittäter zur Verantwortung gezogen zu werden.
Beispiel: Bei den Geschäftsführern einer Produktionsfirma gehen Meldungen zu schweren bis lebensbedrohlichen Gesundheitsschäden von Kunden ein, die beim Gebrauch des von dem Betrieb produzierten Ledersprays aufgetreten waren. Die Geschäftsführer beschließen daraufhin auf einer gemeinsamen Sitzung, trotz der bestehenden Hinweise keinen Rückruf der Ledersprays zu veranlassen. Der BGH verurteilte die Geschäftsführer daraufhin wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB in Mittäterschaft (BGHSt 37, 106).
Strafbarkeit durch Unterlassen
Wegen Unterlassens macht sich – vereinfacht gesagt – strafbar, wer eine rechtlich gebotene Handlung nicht vornimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist (§ 13 StGB). Dieses Handlungsgebot nennt man Garantenpflicht. Sie ist die entscheidende Voraussetzung für die Strafbarkeit durch Unterlassen und ergibt sich für Manager in der Regel aus ihrer Stellung als Leitungsperson des Unternehmens.
Beispiel: Exemplarisch ist wiederum die sogenannte „Lederspray-Entscheidung“ des BGH (BGHSt 37, 106). Nachdem bei der Produktionsfirma des Ledersprays Meldungen über schwere bis lebensbedrohliche Gesundheitsschäden eingegangen waren, hatten die Geschäftsführer zunächst eine Untersuchung eingeleitet, die aber erfolglos blieb. Die Geschäftsführer entschieden daraufhin per Mehrheitsbeschluss, keinen Rückruf des Ledersprays zu veranlassen, sondern weitere Untersuchungen abzuwarten und lediglich Warnhinweise an den Dosen anzubringen. Nach Auffassung des BGH traf das Unternehmen als Hersteller der Ledersprays nach Bekanntwerden der ersten Schäden jedoch die Pflicht, das Produkt zurückzurufen. Die Garantenstellung ergab sich für die Geschäftsführer insoweit aus Ingerenz, d.h. aus der Verantwortung für die Schaffung einer Gefahrenquelle durch das Inverkehrbringen eines gesundheitsschädlichen Produkts. Die Vorwerfbarkeit verlagerte sich insoweit von dem Vertrieb des Ledersprays auf das Unterlassen einer Rückrufaktion.
Leitungspersonen sind zudem dafür verantwortlich, dass ihre Mitarbeiter keine betriebsbezogenen Straftaten begehen. Erfahren sie z.B. von zu hohen Abrechnungen eines Mitarbeiters und schreiten nicht dagegen ein, machen sie sich der Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen schuldig. Die Garantenpflicht des Managers ist insoweit auf Straftaten begrenzt, die in einem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit oder der Art des Betriebs stehen. Begeht der Mitarbeiter die Straftat nur „bei Gelegenheit“, zum Beispiel weil er sich nach einem auswärtigen Kundentermin alkoholisiert ans Steuer seines Firmenwagens setzt, trifft den Manager keine Garantenpflicht zur Verhinderung der Straftat (hier § 316 StGB).
Neben der Garantenpflicht ist die zweite wichtige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Unterlassens die sog. Quasi-Kausalität. Diese ist gegeben, wenn die gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Mit anderen Worten ist die Quasi-Kausalität zu verneinen, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg auch bei Vornahme der rechtlich gebotenen Handlung eingetreten wäre.
Delegation der Verantwortung „nach unten“ (Geschäftsherrenhaftung)
Eine Verlagerung der strafrechtlichen Verantwortung des Managers auf die ihm unterstellten Mitarbeiter des Unternehmens ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Sonst könnte durch ein geschicktes Verteilen der Aufgaben ein System „organisierter Unverantwortlichkeit“ geschaffen werden, in dem Informationsbesitz, Entscheidungsmacht und Ausführungstätigkeit stets auseinanderfallen.
Auch sind nicht alle Aufgaben im Unternehmen einer Delegation zugänglich. Bestimmte Aufgabenbereiche sind von Gesetzes wegen ausdrücklich einem bestimmten Unternehmensorgan zugewiesen. Sie können deshalb nicht übertragen werden. Dazu zählen etwa die Buchführungspflicht und die Insolvenzantragspflicht. Bei der Erfüllung der Aufgaben kann sich der Geschäftsleiter selbstverständlich anderer bedienen. Allerdings bleibt die Verantwortung beim Geschäftsleiter.
Im Übrigen lassen sich einzelne Aufgaben und die damit zusammenhängende Verantwortung unter folgenden Voraussetzungen auf untergeordnete Mitarbeiter übertragen:
- Die Leitungsperson muss sich über die persönliche und fachliche Kompetenz des Beschäftigten vergewissern. Dieser muss eine entsprechend der Aufgabe geeignete Ausbildung und/oder Berufserfahrung vorweisen.
- Der Beschäftigte muss über die Aufgaben und Pflichten instruiert werden. Und es muss unmissverständlich klargestellt werden, welche Kompetenzen ihm zugewiesen werden. Hierzu gehört es, dass der Mitarbeiter über die relevanten gesetzlichen Bestimmungen informiert und erforderlichenfalls geschult wird. Eine allgemeine Aufforderung á la „Halte Dich an alle Vorschriften“ reicht hierfür nicht aus. Die Aufklärungs- und Schulungspflicht gilt selbst dann, wenn die Leitungsperson weiß, dass der Beschäftigte über die entsprechenden Kenntnisse verfügt. Zweifel gehen immer zu Lasten des Delegierenden.
- Die Leitungsperson muss dem Beschäftigten alle personellen und technischen Mittel zur Verfügung stellen, damit dieser seine Aufgaben pflichtgemäß erfüllen kann. Insbesondere müssen die Arbeitsgeräte und technischen Einrichtungen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.
- Weiter muss der Beschäftigte in ausreichender Weise und im personell sowie finanziell vertretbaren Rahmen überwacht und kontrolliert werden. Die Anforderungen an die Überwachung des Mitarbeiters hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Falle eines besonders hohen Gefahrenrisikos bedarf es beispielsweise intensiver Kontrollen. Die Zumutbarkeit der Kontrollpflicht ist des Weiteren abhängig von der Größe des Unternehmens, der Anzahl und Kompetenz der Beschäftigten sowie allgemein der innerbetrieblichen Organisation.
Bei Einhaltung dieser Grundsätze entledigt sich die Leitungsperson zwar ihrer Aufgabe, nicht aber ihrer persönlichen Verantwortung. Denn dem Manager verbleibt die Aufsichtspflicht i.S.d. § 130 OWiG über den Mitarbeiter.
Strafbarkeit aus Fahrlässigkeit
Oftmals werden Straftaten in Unternehmen nicht geplant und vorsätzlich umgesetzt. Vielmehr entstehen sie aus Unachtsamkeit und dem Glauben, dass „schon alles gut geht“. Die Grenze zur fahrlässigen Strafbarkeit ist dabei schnell überschritten. Grundlegende Voraussetzung ist die Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Bei Führungskräften eines Unternehmens funktioniert die Prüfung immer zweistufig:
- Das Unternehmen hat eine Rechtspflicht (im Lederspray-Fall die Pflicht, dass niemand durch das Produkt zu Schaden kommt).
- Die Rechtspflicht trifft – wegen seiner leitenden Stellung – den Manager als handelndes Organ.
Verletzt der Manager diese Pflicht, indem er die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt, kann er sich wegen fahrlässiger Begehung strafbar machen.
Verletzung der Aufsichtspflicht
Schließlich unterliegen Inhaber von Betrieben bzw. Unternehmen gemäß § 130 OWiG einer Aufsichtspflicht über die Mitarbeiter. Diese Aufsichtspflicht beinhaltet u.a.
- die sorgfältige Personalauswahl,
- die genaue Beschreibung der übertragenen Tätigkeit und
- die regelmäßige Kontrolle der Betriebsvorgänge, etwa durch Stichproben.
Hat der Inhaber vorsätzlich oder fahrlässig die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen unterlassen und wird durch einen Mitarbeiter eine betriebsbezogene Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, die durch eine gehörige Aufsicht verhindert oder zumindest wesentlich erschwert worden wäre, begeht der Inhaber eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 130 OWiG.
Die Aufsichtspflicht trifft auch Manager, zum Beispiel den Geschäftsführer einer GmbH. Zwar sind diese, auch wenn ihnen 100 Prozent der Gesellschaftsanteile gehören, nicht als Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber anzusehen, denn dies ist die GmbH selbst. Die Inhaberschaft ist aber ein besonderes persönliches Merkmal, das über § 9 OWiG dem Geschäftsführer zugerechnet werden kann. Auch ein Geschäftsführer kann daher eine Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG begehen.
Wichtig ist, dass die Pflicht beim Inhaber, also der GmbH, nicht entfällt. Sondern sie bleibt weiterhin als betriebsbezogene Pflicht bestehen, die auf das Organ – in unserem Fall dem Geschäftsführer – lediglich erweitert wird. Das ist wichtig, weil sich dadurch eine weitere Konsequenz ergibt:
Die Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Geschäftsführer stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Sie ist damit eine taugliche Anknüpfungstat für § 30 OWiG, der die Verhängung einer Geldbuße gegen das Unternehmen ermöglicht.