Strafbarkeitsrisiko von Schlachthofgeschäftsführern wegen roher Tierquälerei
Unternehmerisches Handeln – insbesondere im Bereich der Fleischverarbeitung – bedeutet Risiken einzugehen. Geschäftsführern von Schlachthöfen ist das meist klar. Was viele von ihnen jedoch unterschätzen: Nicht nur ihr eigenes Tun kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Sie können auch für das Nicht-Umsetzen von regulatorischen Vorgaben sowie für Fehltritte ihrer Mitarbeiter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Das Unterlassens-Strafbarkeitsrisiko wird häufig falsch eingeschätzt. Das gilt vor allem für die Strafbarkeit der Schlachthof-Geschäftsführung wegen roher Tierquälerei nach § 17 TierSchG.
I. Erscheinungsformen der Rohen Tierquälerei auf Schlachthöfen
Nach § 17 Nr. 2 lit. a) TierSchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Drei Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Die Schlachtung von Tieren trotz unzureichender Betäubung.
- Das Schlagen und Stoßen von transportunfähigen Rindern auf ihre verletzten Gliedmaßen, damit sie sich vom Anhänger, über die Laderampe in das Gebäude des Schlachthofs bewegen.
- Der unzulässige Einsatz von Elektro-Treibern in sensiblen Bereichen des Tieres, wie dem Analbereich.
Klar ist, dass die Mitarbeiter, die den Tieren unmittelbar aus Rohheit die erheblichen Schmerzen oder Leiden zufügen, strafbar handeln.
II. Geschäftsführerstrafbarkeit
Der Blick von Staatsanwaltschaft und Polizei richtet sich zusätzlich schnell in Richtung der Geschäftsführung. Im Raum steht dann die Frage, ob die Geschäftsführung regulatorische Vorgaben nicht umgesetzt hat und ob ihr gar das das Handeln der Mitarbeiter bekannt war.
a. Garantenstellung aus der Tierschlachtungs-VO
Die Staatsanwaltschaft wird sich bei den erforderlichen Sorgfaltspflichten der Schlachthofs-Geschäftsführung vor allem an der europäische Tierschlachtungs-VO orientieren.
In Art. 3 der Tierschlachtungs-VO sind die allgemeinen Anforderungen in Bezug auf die Tötung von Tieren und damit zusammenhängender Tätigkeiten geregelt. Danach müssen die Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden verschont werden (Art. 3 Abs. 1 Tierschlachtungs-VO). Um diese Zwecke zu erreichen, muss der Schlachthofsbetreiber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass
- für das körperliche Wohlbefinden und den Schutz der Tiere gesorgt wird, insbesondere dadurch, dass sie unter sauberen Bedingungen und unter angemessenen Temperaturbedingungen gehalten werden, und indem vermieden wird, dass sie stürzen oder ausrutschen;
- die Tiere vor Verletzungen geschützt werden;
- die Tiere unter Berücksichtigung ihres normalen Verhaltens gehandhabt und untergebracht werden;
- die Tiere weder Anzeichen von vermeidbaren Schmerzen oder Angst aufweisen noch ein anderes anormales Verhalten an den Tag legen;
- die Tiere nicht unter längerfristigem Futtermittel- oder Wasserentzug leiden;
- eine vermeidbare Interaktion mit anderen Tieren verhindert wird, die dem Tierschutz abträglich wäre.
Darüber hinaus müssen die Anlagen für die Tötung und damit zusammenhängende Tätigkeit so ausgelegt, gebaut, instandgehalten und betrieben werden, dass gewährleistet ist, dass sie jederzeit den vorstehenden Vorgaben entsprechen und im Einklang mit den für die Anlage geplanten Tätigkeiten stehen.
In Art. 9 Tierschlachtungs-VO sind weitere organisatorische Vorgaben enthalten, die der Schlachthofsbetreiber zum Schutz der Tiere umsetzen muss:
- Er muss sicherstellen, dass alle Geräte zur Ruhigstellung oder Betäubung gemäß den Anweisungen der Hersteller durch eigens hierfür geschultes Personal instandgehalten und kontrolliert werden.
- Er muss sicherstellen, dass im Fall des Versagens der ursprünglich eingesetzten Betäubungsgeräte während der Betäubung sofort geeignete Ersatzgeräte an Ort und Stelle verfügbar sind und eingesetzt werden.
- Er muss sicherstellen, dass die Tiere erst dann in die Geräte zur Ruhigstellung, einschließlich Kopffixierungsvorrichtungen, gestellt werden, wenn die mit der Betäubung oder Entblutung beauftragte Person bereitsteht, um die Tiere so rasch wie möglich zu betäuben oder zu entbluten.
Defizite in diesem Bereich können strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichtenverstöße im Zusammenhang mit § 17 TierSchG darstellen.
b. Geschäftsherrenhaftung
Neben diesen branchenspezifischen Vorgaben sind Geschäftsführer und Vorgesetzte gehalten, betriebsbezogene Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter im Rahmen ihres personellen Verantwortungsbereichs zu unterbinden. Tierschutzstraftaten nach § 17 TierSchG zulasten von zu schlachtenden Tieren stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schlachtbetrieb. Sie sind eindeutig betriebsbezogen. Erfährt die Unternehmensleitung davon, darf sie dies nicht dulden, sondern muss aktiv dagegen vorgehen.
c. Beispielsfall: Defekte Betäubungsanlage
Besonders deutlich werden die vorstehenden Ausführungen durch eine Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 14. Dezember 2020 (Az.: 2 Ss 194/20). Das OLG Frankfurt a.M. bestätigte im Ergebnis die Verurteilung eines Schlachthof-Geschäftsführers wegen roher Tierquälerei. Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Von Januar 2011 bis Ende 2013 wurden in dem Schlachthof wöchentlich ca. 600 bis 650 Schweine geschlachtet. In diesem Zeitraum war bekannt, dass die verwendete automatisierte elektrische Betäubungsanlage trotz verschiedener Anpassungen nicht dazu geeignet war, den Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit bei den Schweinen vor ihrer Entblutung herbeizuführen. Ein Austausch der Anlage wurde wegen der schon zum damaligen Zeitpunkt durch Verluste geprägten Finanzlage des Schlachthofs, insbesondere wegen unzureichender vorhandener Eigenmittel, nicht realisiert. Infolgedessen wurde bei mehreren Kontrollen ein unvertretbar hoher Anteil von Fehlbetäubungen festgestellt. Das führte dazu, dass die Tiere während der Entblutung bei Bewusstsein waren. Zwar wurden daraufhin Nachbetäubungen durchgeführt. Diese waren aber überwiegend fehlerhaft und mit unzureichender Effektivität. Ein Teil der Schweine zeigte auch im Anschluss der Nachbetäubung noch erhebliches Schmerzempfinden insbesondere auf dem Entblutungstisch bzw. bei der Entblutung. Die Mängel waren dem Geschäftsführer des Schlachthofs bekannt. Gleichwohl wurde die automatische Betäubungsanlage erst am 17. Mai 2013 durch eine neue Anlage ersetzt.
III. Konsequenzen der Verurteilung
Verstöße gegen § 17 TierSchG können mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden. In gravierenden Fällen kann ein Umgangsverbot nach § 20 TierschG und/oder ein Berufsverbot nach § 70 Abs. 1 StGB verhängt werden. Der Wert des Schlachterlöses kann beim Schlachthof eingezogen werden. Bei gravierenden Verstößen kann eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO drohe.
IV. Risikoreduzierung
Das Risiko von staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren kann im Vorfeld nie in Gänze ausgeschlossen werden. Es kann aber durch eine konsequente und flächendeckende Umsetzung eines Compliance-Management-Systems reduziert werden. Dabei müssen Schlachthöfe vor allem die konkreten organisatorischen Maßnahmen der Tierschlachtungs-VO umsetzen. Die Einhaltung muss regelmäßig überwacht und an die Geschäftsführung berichtet werden. Werden Schwachstellen bemerkt, müssen diese zeitnah ausgebessert werden. Sofern intern Hinweise auf Fehlverhalten bekannt werden, müssen diese ernst genommen und aufgeklärt werden. Sollte sich das Fehlverhalten bestätigen, muss darauf angemessen reagiert werden – beispielsweise mit Nachschulungen, Abmahnungen, Umsetzungen oder fristlosen Kündigungen. Ansonsten läuft die Geschäftsführung Gefahr, sich selbst strafbar zu machen.