Strafrechtsschutzversicherung, D&O, Cyber-Versicherung

Möglichkeiten und Grenzen von Strafrechtsschutzversicherungen

Aktuelle gesetzgeberische Initiativen wie das Lieferkettengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz unterstreichen nachdrücklich die Bedeutung von Compliance und Corporate Governance. Sie erweitern zugleich den Pflichtenkreis der Unternehmensleitung – Manager und Führungskräfte sehen sich mehr denn je persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt. Spätestens mit dem Verbandssanktionengesetz werden nicht nur die handelnden Personen, sondern auch die Unternehmen selbst in die Pflicht genommen werden. Können Strafrechtsschutzversicherungen den handelnden Personen und betroffenen Unternehmen hier Mehrwert bieten? Der folgende Beitrag beleuchtet die gängigen Optionen.

Versicherungsschutz für Abwehrmaßnahmen in Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren

Die Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung

Kosten für Abwehrmaßnahmen in Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren sind über die Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung erstattungsfähig. Die Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung erfasst grundsätzlich alle Angestellten, nicht nur Organe. Versicherungsnehmerin ist das Unternehmen. Die handelnden Personen sind im Wege der Versicherung für fremde Rechnung erfasst. Dem Unternehmen wird jedoch – anders als in der D&O- Versicherung – ein Widerspruchsrecht zuerkannt, wenn eine versicherte Person Rechtsschutz begehrt. Damit soll verhindert werden, dass in Fällen, in denen sich die vorgeworfene Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegen das Vermögen des Unternehmens richtet, der Versicherungsschutz, für den das Unternehmen wirtschaftlich aufkommt, der betroffenen Person zu Gute kommt.

Auch die Verteidigung des Unternehmens selbst ist mittlerweile regelmäßig vom Versicherungsschutz umfasst. Dies betrifft vor allem die anwaltliche Vertretung des Unternehmens, wenn das Ermittlungsverfahren gegen noch nicht benannte Personen geführt wird.

Typischerweise werden in der Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung Anwaltshonorare auf Stundensatzbasis ersetzt. Wirtschaftlich besonders relevant ist daneben die Erstattung der Kosten privater Gutachter, die im Zusammenhang mit der Verteidigung erforderlich werden.

Der Versicherungsschutz entfällt in der Strafrechtsschutzversicherung regelmäßig rückwirkend, wenn die versicherte Person wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat rechtskräftig verurteilt wird. Hiervon ausgenommen ist häufig eine Vorsatzverurteilung aufgrund eines Strafbefehls. Die Versicherer wollen so den Anreiz schaffen, dass die versicherte Person nicht allein deshalb eine aufwändige Hauptverhandlung in Kauf nimmt, um von einem Vorsatz- auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf umzustellen und so die Kostenrückforderung des Versicherers zu vermeiden.

Der praktisch relevanteste Ausschlusstatbestand in der Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung sind wettbewerbsbeschränkende Absprachen (sog. Kartellrechtsausschluss). Diese Risiken sind mittlerweile allerdings zumindest bis zu einem Sublimit und jedenfalls gegen eine zusätzliche Prämie versicherbar.

Strafrechtsbaustein in der D&OVersicherung

Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Gesellschaftsorgane, sog. Directors & Officers Versicherung, erfasst als Versicherung für fremde Rechnung nur die versicherten handelnden Personen, das heißt Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte sowie – abhängig vom konkreten Bedingungswerk – ggf. einen weiteren Kreis von Führungskräften. Die D&O-Versicherung bietet aber keinen Versicherungsschutz für das versicherte Unternehmen selbst.

In erster Linie dient die D&O-Versicherung der Erstattung begründeter und der Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche. Weil zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen oft zusammentreffen, enthalten D&O-Versicherungen typischerweise Regelungen zur Deckung von Abwehrkosten in Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen versicherte Personen.

Die unverbindlichen Musterbedingungen des GDV für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB D&O) Stand Mai 2020 sehen vor, dass der Versicherer die Kosten der Verteidigung nach RVG bzw. die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten eines Verteidigers trägt, wenn in einem Strafverfahren wegen einer unter der D&O-Versicherung möglicherweise gedeckten Pflichtverletzung die Bestellung eines Verteidigers für die versicherte Person von dem Versicherer gewünscht oder genehmigt ist (vgl. Ziffer A-6.1). Die versicherte Person hat danach jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Strafverteidigers.

Die Musterbedingungen des GDV können nicht als Marktstandard angesehen werden. Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen und Konzernen finden sie regelmäßig keine Anwendung. Auch wenn die Bedingungen im Einzelnen voneinander abweichen, bieten viele Versicherer im Rahmen der D&O-Versicherungspolicen einen deutlich weitergehenden Strafrechtsschutzbaustein an.

Voraussetzung dafür, dass der Versicherungsschutz greift, ist typischerweise die erstmalige Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens, wenn sich dieses Verfahren auf eine versicherte Pflichtverletzung bezieht. Sofern dies vorher mit dem Versicherer abgestimmt ist, werden regelmäßig auch Anwaltskosten auf der Grundlage von Honorarvereinbarungen ersetzt, die über die RVG Gebühren hinausgehen. Die Versicherer tragen damit der Tatsache Rechnung, dass gerade in komplexen Wirtschaftsstrafverfahren die Hinzuziehung speziell qualifizierte Strafverteidiger unerlässlich ist. Deren Vergütung erfolgt in Anbetracht des regelmäßigen Zeitaufwands angemessener Weise eben nicht auf der Grundlage des RVG, sondern im Rahmen von Honorarvereinbarungen auf Stundensatzbasis. Neben den Anwaltskosten werden auch sonstige Kosten ersetzt, die der Verteidigung dienen. Häufig finden sich Formulierungen, dass diese „erforderlich und angemessen“ sein müssen.

Ist streitig, ob die vorgeworfene Pflichtverletzung vorsätzlich oder wissentlich erfolgte, ist der D&O-Versicherer verpflichtet, zunächst Abwehrdeckung zu leisten. Im Falle eines rechtskräftigen Urteils, das den Vorsatz oder die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung feststellt, sind die geleisteten Abwehrkosten in der Regel zurück zu erstatten.

Deckung in der Cyber-Versicherung

Ebenso wie im Bereich der D&O-Versicherung hat sich im Cyber-Versicherungsmarkt das Muster-Regelwerk des GDV nicht als Standard etabliert. Mehr noch als in anderen Versicherungszweigen weichen die Bedingungswerke der Versicherer bei der Cyber-Versicherung deutlich voneinander ab.

Sie enthalten dennoch flächendeckend Regelungen zur Ersatzfähigkeit von Kosten zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der versicherten Personen und Unternehmen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, die wegen eines deckungsauslösenden Ereignisses – z. B. eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen – eingeleitet werden. Diese Regelungen sind häufig an die Unternehmens-Strafrechtsversicherung angelehnt. So sind z. B. die zunächst zu gewährenden Abwehrkosten im Falle der Verurteilung wegen einer Vorsatztat zurückzuerstatten – es sei denn, die Verurteilung erfolgte durch einen Strafbefehl.

Deckungskonzepte und Spielraum in den Versicherungsbedingungen

In den marktüblichen Bedingungen unterscheiden sich die Deckungskonzepte im Hinblick auf die Erstattung von Abwehrkosten im Zusammenhang mit Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren kaum mehr. Sowohl in der separaten Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung als auch in den betreffenden Bausteinen der D&O-Versicherung oder Cyber-Versicherungen findet sich die Übernahme von Kosten der anwaltlichen Vertretung auf Basis vereinbarter Stundenhonorare (spätestens ab dem Zeitpunkt der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) sowie sonstiger Kosten im Zusammenhang mit der Verteidigung.

Der maßgebliche Unterschied besteht für die betroffenen Unternehmen allerdings darin, dass bei der D&O-Versicherung Abwehrkosten des Unternehmens grundsätzlich nicht versichert sind.

Demgegenüber stellt sich für die versicherte Person bei der Unternehmens-Strafrechtsschutzversicherung das Problem, dass dem Unternehmen ein Widerspruchsrecht gegen die Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes zusteht. Dieses Problem lässt sich – ebenso wie die Gefahr, dass die Versicherungssumme unter der Unternehmenspolice aufgebraucht ist – durch eine persönliche D&O-Versicherung oder Strafrechtsschutzversicherung abmildern, die durch die natürliche Person selbst abgeschlossen wird.

Häufig bestehen in einem Unternehmen Strafrechtsschutzversicherung, D&O-Versicherung und Cyber-Versicherung nebeneinander. Die Frage, welche Versicherung im konkreten Fall zuerst eingreift, lässt sich nicht immer einfach beurteilen. Die maßgeblichen Kollisionsklauseln in den Versicherungsbedingungen lassen häufig weiten Spielraum für Interpretation. Dieser geht allerdings letztlich nicht zu Lasten der versicherten Person.

Versicherbarkeit von Geldstrafen und Bußgeldern

Neben den Kosten der Verteidigung sind auch die möglicherweise verhängten Geldstrafen und Bußgelder für die betroffenen Unternehmen und Personen von wirtschaftlicher Relevanz. Während die Musterbedingungen des GDV sowohl für die D&O-Versicherung als auch für die Cyber-Versicherung einen ausdrücklichen Ausschluss von Geldstrafen und Geldbußen vorsehen, werden diese in den gängigen Bedingungen ausdrücklich mitversichert – allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass sie überhaupt versicherbar sind.

Dieser Vorbehalt ergibt durchaus Sinn – die Frage, ob Geldstrafen oder Bußgelder versicherbar sind, ist bislang nicht geklärt. Angesichts des mit Straf- und Bußgeldvorschriften bezweckten Präventionszwecks und ihrer Vergeltungsfunktion wird eine Versicherbarkeit zumindest im Hinblick auf vorsätzliches Handeln für sittenwidrig gem. § 138 BGB erachtet. Entsprechende Klauseln in Versicherungsbedingungen wären damit nichtig.

Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung das Spannungsverhältnis zwischen diesen grundsätzlichen kriminalpolitischen Erwägungen und den schützenswerten Erwartungen der Versicherungsnehmer und versicherten Personen, deren Relevanz der BGH in der jüngsten Rechtsprechung zu D&O-Bedingungen erneut betont hat, lösen wird.

Versicherungsschutz für die Kosten von Internal Investigations

Künftig werden wohl die Kosten für Internal Investigations, also interne Untersuchungen eines Unternehmens zur Aufklärung von (möglicherweise strafrechtlich relevanten) Compliance-Verstößen an Bedeutung gewinnen. Der Entwurf des Verbandssanktionengesetzes verfolgt ausdrücklich das Ziel, Anreize dafür zu bieten, „dass Unternehmen mit internen Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären“. Dies soll insbesondere über Sanktionsmilderungen umgesetzt werden.

Grundsätzlich sind in allen vorstehend beschriebenen Deckungskonzepten Verteidigungskosten nicht allein auf den Aufwand der prozessualen Vertretung beschränkt. Auch die Aufklärung des Sachverhalts ist grundsätzlich für die Verteidigung erforderlich und damit vom Versicherungsschutz erfasst. Allerdings knüpft der Versicherungsschutz an das Vorliegen eines Versicherungsfalles oder die unmittelbare Gefahr seines Eintritts an. Dies erfordert in der Regel zumindest die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

Praktisch werden Internal Investigations jedoch bereits dann eingeleitet, wenn aus Sicht der Verantwortlichen ein Verdacht besteht. Das geschieht häufig lange im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens. Jedenfalls dann, wenn ein solches gar nicht erst eingeleitet wird, bleibt das Unternehmen auf den diesbezüglichen Kosten sitzen.

Fazit

Für handelnde Personen und betroffene Unternehmen sind die Kosten der Verteidigung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren in verschiedenen Versicherungen weitgehend ersatzfähig. Allerdings bleibt die Zulässigkeit der Deckung von Geldstrafen und Bußgeldern problematisch, obwohl diese mittlerweile in vielen Bedingungswerken grundsätzlich angeboten werden.

Die erwartungsgemäß hohen Kosten für die Durchführung von Internal Investigations sind bislang nur im unmittelbaren Zusammenhang mit (drohenden) Ermittlungsverfahren ersatzfähig. Auf die offensichtliche Deckungslücke für Internal Investigations in Konstellationen, in denen später gar kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, hat der Markt bereits mit der Einführung von Compliance Versicherungen reagiert. Es bleibt abzuwarten, ob diese Konzepte dem tatsächlichen Bedarf gerecht werden.

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Dr. Mirjam Boche ist Partnerin bei ARQIS Rechtsanwälte. Dort leitet sie die Fokusgruppe „Risk“ mit den Bereichen Compliance, Versicherungsrecht, Litigation und Insolvenzrecht. Mit ihrem Team berät sie Versicherer, Makler, Versicherungsnehmer und Manager somit vor allem umfassend im Zusammenhang mit Managerhaftpflichtfragen.