Krypto-Trader im Fokus der Steuerbehörden – Wie jetzt reagieren?
Das Land NRW knüpft sich Krypto-Trader vor. Wie der Spiegel berichtet, ist die NRW- Finanzverwaltung in den Besitz von steuerrelevanten Daten zum Handel mit Kryptowährungen gelangt. Betroffen seien mehrere Tausend Trader aus Deutschland, die über eine dem Vernehmen nach – deutsche – Handelsplattform mit Kryptowährungen gehandelt haben sollen. An die Daten kam die Finanzverwaltung über ein Auskunftsersuchen, das sich gegen eine in den Medien ungenannt gebliebene Krypto-Börse richtete.
Die Daten sollen Erkenntnisse darüber liefern, ob Trader der Handelsplattform ihren steuerlichen Erklärungspflichten nachgekommen sind. Anders als bei Kapitaleinkünften greift für die Besteuerung von Kryptohandelsgewinnen kein Quellensteuerabzug („Abgeltungssteuer“). Gewinne müssen vom Steuerpflichtigen selbst erklärt (und abgeführt) werden.
Unklar ist, welche deutsche Handelsplattform betroffen ist. Das Datenpaket soll nun von Fahndern aus ganz Deutschland ausgewertet werden. Im NRW-Finanzministerium geht man davon aus, mit den Daten massenhaften Steuerbetrug aufzudecken – jedenfalls wenn man den Äußerungen von NRW-Finanzminister Optendrenk folgt, der von einem „bislang erhebliche[n] Dunkelfeld“ sprach.
Sind Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen steuerbar?
Kurz gesagt: Ja! Das Finanzgericht Baden-Württemberg, und kurze Zeit später das Finanzgericht Köln, stellten beide in Hauptsacheverfahren übereinstimmend fest, dass Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG steuerpflichtig seien (unser Blog-Beitrag dazu). Sie schlossen sich damit der Auffassung des Bundesfinanzministeriums an, vgl. BMF-Schreiben v. 10. Mai 2022. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Linie jüngst. Mit Urteil vom 14. Februar 2023 hielt das oberste deutsche Finanzgericht fest: Kryptowährungen als solche sind andere Wirtschaftsgüter im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG; Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen sind als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH, Urt. v. 14. Februar 2023 – IX R 3/22, DStR 2023, 435). Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes wurde im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht (BStBl II 2023, 571). Damit wird sie von den Finanzbehörden allgemein angewendet.
Steuerlich werden Kryptos angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; veräußert werden sie, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in eine andere virtuelle Währung umgetauscht werden. Das heißt: Sowohl die Veräußerung als auch der Tausch von Kryptowährungen in andere Kryptowährung können zur Realisation von Gewinnen führen. Diese Gewinne werden im Privatvermögen mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Hält ein Trader den Coin länger als ein Jahr, entfällt die Besteuerung jedoch: Die lange Haltefrist wird belohnt, der Coin ist nicht mehr steuerlich „verstrickt“. Es liegt kein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 1 Nr. 2 EStG mehr vor. Wieder anderes gilt bei Lending-Coins: Hier greift nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG eine Haltefrist von 10 Jahren.
In jedem Fall gilt: Gewinne werden erst bei Überschreiten einer Freigrenze von 600 EUR – wie bei allen privaten Veräußerungsgeschäften – versteuert (§ 23 Abs. 3 S. 5 EstG). Aber auch hier Vorsicht: Freigrenze und Freibetrag sind nicht identisch. Sobald die Freigrenze von 600 EUR um einen Cent überschritten wird, muss der gesamte Gewinn versteuert werden.
Was bedeutet die Datenherausgabe an die Finanzbehörden für den Trader und Steuerpflichtigen?
Sind steuerlich relevante Daten erst einmal bei den Finanzämtern angelangt, gleichen diese ab, ob in der Steuererklärung eines erfolgreichen Traders Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen erklärt worden sind. Bei dem Verdacht einer Steuerhinterziehung kann das Finanzamt die Steuererklärung der letzten zehn Jahre überprüfen.
Stellt das Finanzamt im Zuge der Prüfung fest, dass Gewinne nicht erklärt wurden, bekommt der Steuerpflichtige im günstigsten Fall vom Finanzamt eine Aufforderung, Angaben zu möglichen Gewinnen zu machen. Liegt der Verdacht einer Steuerhinterziehung vor, kann das Finanzamt allerdings auch ein Steuerstrafverfahren einleiten. Ein Ausweg kann die strafbefreiende Selbstanzeige sein. Darauf weist auch der NRW-Finanzminister hin und rät Betroffenen zur Selbstanzeige. Mit der Selbstanzeige sollen verborgene Steuerquellen erschlossen werden und dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.
Ist noch eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich?
Grundsätzlich führt die Abgabe einer Selbstanzeige zur Straffreiheit (§ 371 Abs. 1 S. 1 AO). In § 371 Abs. 2 AO sieht der Gesetzgeber allerdings Sperrgründe vor. Liegen sie vor, kann keine Straffreiheit (mehr) gewährt werden. Straffreiheit kommt danach unter anderem nicht mehr in Betracht, wenn eine Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige
- bereits entdeckt war
- und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO).
Für die Betroffenen der jetzt in den Blick genommenen Krypto-Börse stellt sich die Frage, ob überhaupt noch eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich ist.
Der Bundesgerichtshof urteilt streng. Danach liegt Tatentdeckung (bereits) dann vor, „wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. (…) Die in § 371 Abs. 2 S. 1 NR. 2 AO enthaltene Definition der Tatentdeckung enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist – auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen Informationen – die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen.“ (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133)
Die Kenntniserlangung von einer „Steuerquelle“ reicht für sich allerdings nicht aus, es bedarf vielmehr einer Einzelfallbetrachtung, bspw. wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit naheliegt (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 –- 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133 Rn. 30). Eine dahingehende kriminalistische Erfahrung, dass Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen auf deutschen Handelsplattformen grundsätzlich verschwiegen werden, besteht wohl nicht. Naheliegender ist es daher zur Beantwortung der Frage, ob die Tat bereits entdeckt wurde, darauf abzustellen, ob die Finanzbehörden einen Abgleich mit der Steuerakte des Steuerpflichtigen durchgeführt haben. Zu berücksichtigen ist auch das zweite, subjektive Element „Rechnen müssen mit der Tatentdeckung“. Hierbei spielt es u.a. eine Rolle, in welcher Form die Behörden und die Presse über die Daten, in deren Besitz die Behörden gelangt sind, berichtet haben. Anders gewendet: Wurde die Plattform oder Bank ausdrücklich benannt, so dass der Steuerpflichtige wissen musste, dass eine Betroffenheit besteht? Nicht weniger relevant ist die Frage, wie groß der Datensatz ist und wie viel Zeit seit der Herausgabe der Daten an die Behörden vergangen ist.
Pauschale Antworten sind schwierig. Die Frage, ob eine Tat bereits entdeckt ist, hängt sehr vom Einzelfall ab.
Lohnt sich eine Selbstanzeige überhaupt noch?
Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, ist die Offenlegung von bislang nicht erklärten steuerrelevanten Sachverhalten aus strafrechtlicher Sicht regelmäßig ein Strafmilderungsgrund, § 46 StGB, der von den Ermittlungsbehörden und den Gerichten zu berücksichtigen ist. Dieser Vorteil wird bei Tatentdeckung in der Regel nicht mehr gewährt. „Aufzufliegen“ kostet daher nicht nur Steuern, sondern kann auch höhere Strafen bedeuten. Die Frage, ob sich eine Selbstanzeige „lohnt“, muss sorgfältig abgewogen werden. Betroffene sollten eine Selbstanzeige keinesfalls selbst erstellen und dabei Gefahr laufen, eine unrichtige oder unvollständige Selbstanzeige abzugeben. In vielen Fällen empfiehlt sich eine „offene“ Selbstanzeige ohnehin nicht. Berater müssen auf die Möglichkeit einer Berichtigungserklärung (§ 153 AO) hinweisen. Auch ein solcher Schritt muss sorgfältig abgewogen werden.
Gesteigertes Entdeckungsrisiko
Das Entdeckungsrisiko ist für Krypto-Trader jedenfalls gestiegen. Auch um ein strukturelles Vollzugsdefizit (und damit die Verfassungswidrigkeit der Krypto-Besteuerung) zu vermeiden, werden Finanzbehörden den Ermittlungsdruck für Krypto-Trader auch weiter steigern. Die Möglichkeiten der Finanzbehörden an relevante Informationen zu kommen sind vielfältig.
Auf internationaler Ebene soll der Datenhunger mit dem „Crypto-Asset Reporting Framework“ (CARF) gestillt werden. Das CARF ist bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angedockt und soll einen einheitlichen Rahmen für den internationalen, automatischen Austausch steuerlich relevanter Daten zu Krypto-Transaktionen schaffen. Ende 2022 wurde es von den Mitgliedsstaaten verabschiedet. Beigetreten ist die Bundesrepublik Deutschland bislang aber nicht. Zu beachten ist zudem, dass viele umsatzstarke Krypto-Börsen nicht in OECD-Staaten sitzen. Beispiele: crypto.com sitzt in Singapur, Binance wohl auf Malta und Huobi Global auf den Seychellen. Welche Wirkung das CARF tatsächlich bei der Aufdeckung von unversteuerten Krypto-Gewinnen entfalten würde, bleibt abzuwarten.
Die Möglichkeiten der Finanzbehörden enden hier allerdings nicht. Im Austausch mit den USA ist denkbar, dass der automatische Informationsaustausch (AIA) angepasst wird. Im OECD-Musterabkommen ebnet Art. 26 OECD-MA den Weg für internationale Gruppenanfragen. § 117 Abs. 1 AO verweist auf die Möglichkeit der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe. Zugleich arbeitet die EU an einem neuen, harmonisierten Crypto-Reporting: Durch die Aktualisierung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (Richtlinie 2011/16/EU, „DAC8“) werden die Meldepflichten und der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden in der EU auf Einnahmen bzw. Umsätze ausgeweitet, die in der EU ansässige Nutzer mit Kryptowerten erzielen. Davon unabhängig gilt im cross-border-Kontext immer eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 AO). Kommt ein Steuerpflichtiger diesen Pflichten nicht nach, kann das direkt in die (unvorteilhafte) Schätzung von Besteuerungsgrundlagen führen (§ 162 Abs. 2 AO).
Auf nationaler Ebene steht den Finanzbehörden das 2017 kodifizierte Instrument des Sammelauskunftersuchens gemäß § 93 Abs. 1a AO zur Verfügung. Demnach gilt: Die Finanzbehörde darf an andere, unbeteiligte Personen Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen. Genau davon haben allem Anschein nach die Behörden in Nordrhein-Westfalen jetzt (erfolgreich) gegenüber dem Betreiber der Krypto-Börse Gebrauch gemacht. Aus Sicht der Behörden nachteilig: Ein Sammelauskunftsersuchen kann immer nur deutsche Krypto-Börsen adressieren – der Großteil des Krypto-Handels findet aber nicht in Deutschland, sondern im (außereuropäischen) Ausland statt.
Nicht aus dem Blick geraten sollte, dass Krypto-Börsen multilaterale Handelssysteme sind, die als Finanzdienstleistungsinstitute zu qualifizieren sind – so jedenfalls das FG Baden-Württemberg mit Verweis auf § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1b KWG (FG Baden-Württemberg, Urt. v. 11. Juni 2021 – 5 K 1996/19, DStR 2022, 143 Rn. 70). Finanzdienstleistungsinstitute sind Verpflichtete im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 GwG. Für sie gelten damit die Identifizierungspflichten im Sinne von § 11 GwG. Sie müssen – bei natürlichen Personen – Vor- und Nachname, Staatsangehörigkeit, Geburtsort und -datum und eine aktuelle Wohnanschrift abfragen. Über § 43 GwG können diese Daten dann ihren Weg zur Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen finden. Damit wären die Daten zwar immer noch nicht im Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung angelangt, das Entdeckungsrisiko aber steigt auch so.
Fazit
Das Krypto-Urteil des BFH vom 14. Februar 2023 schafft Klarheit im Hinblick auf die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften mit Kryptowährungen. Das jetzt bekannt gewordene (erfolgreiche) Sammelauskunftersuchen der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden erhöht den Druck auf Trader, die Krypto-Gewinne nicht steuerlich erklärt haben. Für die Zukunft kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung Sachverhalte mit Bezug zu Kryptowährungen sowohl im Besteuerungs- als auch Strafverfahren noch konsequenter verfolgen wird.