Zeugenbeistand

Interne Untersuchungen – Aufklärung und Beweissicherung: Teil 5: Verhältnis der internen Untersuchung zu staatlichen Aufklärungsmaßnahmen

Die bisher erschienenen Beiträge der Reihe konzentrieren sich auf die interne Untersuchung selbst. Gleichzeitig ist offenkundig, dass eine interne Untersuchung nur in seltenen Fällen isoliert erfolgt. Vielmehr wird sie häufig von strafrechtlichen Ermittlungs- und Hauptverfahren oder nachfolgenden zivil- und arbeitsrechtlichen Prozessen begleitet. Der fünfte Teil der Reihe erläutert deshalb Verhältnis und Auswirkungen einer internen Untersuchung auf derartige staatliche Aufklärungsprozesse. Ein besonderer Fokus liegt dabei – schon aufgrund von Häufigkeit und Eingriffsintensität – auf strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

I. Folgen und Auswirkungen auf strafrechtliche Verfahren

Die Auswirkungen einer internen Untersuchung auf strafrechtliche Ermittlungs- und Hauptverfahren sind erheblich größer als beim zivilrechtlichen Pendant. Dies liegt neben den drohenden schweren Sanktionen daran, dass im Strafprozess eigene Aufklärungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden stattfinden. Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatz (d.h. die Parteien müssen den relevanten Sachverhalt selbst zusammentragen) gilt im Strafprozess der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass die staatlichen Ermittler aus eigener Veranlassung tätig werden. Nicht selten verlaufen diese Ermittlungstätigkeiten zeitgleich zur unternehmensinternen Aufarbeitung eines Sachverhalts. Für die Unternehmensleitung ergeben sich deshalb zahlreiche Fragen, die bei der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer eigenen Untersuchung zu berücksichtigen sind und hier näher betrachtet werden.

Im strafrechtlichen Hauptverfahren konzentrieren sich die Fragen hingegen vor allem darauf, ob Erkenntnisse aus internen Untersuchungen in der Hauptverhandlung verwertet werden dürfen. Diese Fragestellung  war bereits Gegenstand unserer FAQ-Reihe und soll deshalb an dieser Stelle nicht vertieft werden. Zusätzliche Probleme stellen sich hier bei der Einführung der internen Untersuchungsergebnisse in die Hauptverhandlung.

  1. Welchen Voraussetzungen und Grenzen unterliegen staatliche Ermittlungsmaßnahmen?

Um die Auswirkungen auf die interne Untersuchung beurteilen zu können, sind Voraussetzungen und Grenzen staatlicher Ermittlungsinstrumente von entscheidender Bedeutung. Die Behörden verfügen im Vergleich zu privaten Ermittlern über eine deutlich größere Machtfülle und können auf ein umfangreiches Repertoire an Ermittlungsmaßnahmen zurückgreifen. Gesetzliche Grundlagen für die einzelnen Maßnahmen finden sich in der Strafprozessordnung (StPO). Als Verdachtsschwelle genügt meist ein sog. Anfangsverdacht, d.h. dass die bereits bekannten Tatsachen es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt (siehe BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 207 f.). Darüber hinaus enthalten die gesetzlichen Regelungen zusätzliche Voraussetzungen und Begrenzungen, sodass z.B. Durchsuchungen bei Nachtzeit regelmäßig nicht stattfinden dürfen. Zu den am häufigsten genutzten Maßnahmen bei (vermeintlichen) Straftaten von Unternehmensmitarbeitern gehören Auskunftsersuchen gem. §§ 161, 161a StPO, Durchsuchungen und Beschlagnahmen (§§ 94 ff., 102 ff. StPO), Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen (§§ 161a, 163a StPO) und die Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien (§ 110 StPO). Abhängig vom Einzelfall sind aber auch eine Vielzahl anderer Aufklärungsmaßnahmen denkbar.

Neben den genannten rechtlichen Beschränkungen stellen vor allem knappe (Personal-)Ressourcen einen limitierenden Faktor für staatliche Aufklärungsmaßnahmen dar, sodass teils angenommen wird, dass Strafverfolgungsbehörden auf private Ermittlungen angewiesen seien. Für Unternehmen wäre es dabei durchaus attraktiv, staatliche Ermittlungen durch eigene Ermittlungen zu ersetzen. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten. Aufgrund des Legalitätsprinzips dürften Absprachen mit den Behörden über Begrenzungen der Ermittlungen (d.h. bzgl. des Untersuchungsgegenstands oder konkreter Ermittlungsmaßnahmen) kaum rechtssicher möglich sein, sodass trotz eigener Ermittlungen weiterhin umfassende staatliche Maßnahmen möglich bleiben. Die Möglichkeit eines Verzichts auf staatliche Ermittlungen bis zum Abschluss der internen Untersuchung wurde in § 18 VerSanG-E zwar erwogen, ist bislang aber jedenfalls noch nicht geltendes Recht.

  1. Dürfen/Sollten interne Untersuchungen parallel zu staatlichen Ermittlungen stattfinden?

Interne Untersuchungen werden durch staatliche Ermittlungen nicht per se unzulässig, denn es besteht kein Ermittlungsmonopol des Staats.  Es steht dem betroffenen Unternehmen deshalb frei, trotz staatlicher Ermittlungen die eigene Untersuchung fortzusetzen oder eine solche zu beginnen. Vor Beginn oder nach Abschluss des staatlichen Ermittlungsverfahrens dürften Konflikte zwischen beiden Aufklärungsversuchen ohnehin kaum auftreten. Laufen bereits staatliche Ermittlungen, stellt sich für Unternehmen jedoch unabhängig davon die Frage, ob eine eigene interne Untersuchung (noch) sinnvoll ist. Allgemeingültige Aussagen lassen sich aufgrund der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen nur schwer treffen, sodass hier nur ein Überblick über Entscheidungskriterien erfolgen soll.

Für eine eigene Untersuchung spricht, dass auf diesem Wege ein schnellerer Überblick über die Situation erlangt werden kann. Denn der Ablauf behördlicher Ermittlungen ist oft nur schwer abschätzbar und die Ergebnisse häufig gar nicht oder erst spät für die Unternehmen zugänglich. Andererseits muss jeglicher Anschein von Verdunklungshandlungen vermieden werden. Deshalb kann es situationsabhängig sinnvoll sein, die internen Untersuchungen ruhen zu lassen und den staatlichen Behörden den Erstzugriff auf Beweismittel zu ermöglichen. Zudem muss die Unternehmensleitung bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, dass mit der eigenen Untersuchung Erkenntnisse erlangt werden, auf die Ermittlungsbehörden zwangsweise zugreifen können, sodass insoweit ein Kontrollverlust über die Untersuchungsergebnisse droht. Näher zu rechtlichen Zulässigkeit einer Beschlagnahme von internen Untersuchungsergebnissen bereits Teil 3 der FAQ-Reihe.

Unabhängig von diesen taktischen Überlegungen ergeben sich Grenzen für die interne Ermittlungstätigkeit dort, wo staatliche Ermittlungen beeinträchtigt werden. Namentlich geht es z.B. um Fälle, in denen durch die interne Untersuchung Strafvereitelung (§ 258 StGB), falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) oder die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) droht. Bei derartigen Beeinträchtigungen wird man der Staatsanwaltschaft unter Rückgriff auf §§ 95, 164 StPO das Recht einräumen müssen, die interne Untersuchung soweit notwendig zu begrenzen oder sogar ganz auszuschließen. Relevanz entfaltet diese Kompetenz vor allem bei Mitarbeiterinterviews, bei denen die Gefahr besteht, dass die späteren Angaben bei der staatlichen Vernehmung aufgrund der bereits zuvor erfolgten privaten Befragung verfälscht werden. Es kann daneben auch als Signal der Kooperationsbereitschaft sinnvoll sein, den Ermittlungsbehörden bei der Vernehmung von Mitarbeitern den Vortritt zu lassen oder jedenfalls nur in enger Abstimmung mit den ermittelnden Behörden zu agieren.

  1. Sollte mit staatlichen Ermittlern kooperiert werden?

Eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung der Untersuchungsergebnisse und zur Kooperation mit den staatlichen Ermittlungsbehörden besteht in Deutschland grundsätzlich nicht. Nur bei besonders schweren Straftaten kann die Anzeigepflicht nach § 138 StGB eingreifen. Für Geldwäscheverdachtsfälle gilt § 43 Abs. 1 GwG. Bei Auslandssachverhalten muss hingegen genau geprüft werden, ob die anwendbare Rechtsordnung entsprechende Pflichten vorsieht, denn häufig werden Verstöße dort mit Sanktionen oder dem Ausschluss von staatlichen Vergabeverfahren geahndet. Auch ohne gesetzliche Pflicht ist die Unternehmensleitung aber auch so mit der Frage der Kooperation konfrontiert.

Auch hier sind lassen sich klare Regeln kaum formulieren, den die mittels Kooperation hergestellte Transparenz kann je nach Sachlage Vor- und Nachteile mit sich bringen. Für eine Zusammenarbeit spricht, dass dies als positives Nachtatverhalten bei der Bußgeld- bzw. Strafzumessung berücksichtigt werden kann. Auch die Vermeidung einer zivilrechtlichen Haftung des Unternehmens oder der Unternehmensleitung kann die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden nahelegen. Gegebenenfalls lassen sich durch ein kooperatives Vorgehen und die Weitergabe interner Untersuchungsergebnisse auch eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen verhindern. Zuletzt können die öffentliche Reputation sowie Kunden- und Geschäftsbeziehungen Auswirkungen auf die Kooperationsentscheidung haben.

Fällt die Entscheidung zugunsten der Kooperation aus, ist bei der Weitergabe von internen Untersuchungsergebnissen aber zwingend zu prüfen, ob letztere datenschutzrechtskonform erfolgen kann. Entscheidet sich die Unternehmensleitung indes gegen eine Offenlegung, schließt dies eine interne Ahndung des Fehlverhaltens nicht aus. Auch kann die fehlende Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden regelmäßig keine Aufsichtspflichtverletzung der Unternehmensleitung begründen, sodass auch aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive keine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit folgt.

II. Folgen und Auswirkungen auf zivil- und arbeitsrechtliche Verfahren

Zivil- und arbeitsgerichtliche Verfahren finden regelmäßig erst im Anschluss an die interne Untersuchung statt. Auswirkungen auf diese Verfahren entfaltet die interne Untersuchung deshalb primär dadurch, dass Ermittlungserkenntnisse im Gerichtsverfahren verwertet werden sollen. Als Beispiele können etwa die Klage gegen eine (Verdachts-)Kündigung oder die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs angeführt werden. Im Folgenden sollen deshalb zivil- und arbeitsrechtliche Beweisverwertungsverbote näher beleuchtet werden.

  1. Beweisverwertungsverbote im allgemeinen Zivilrecht

Die Frage eines Verwertungsverbots stellt sich im zivil- und arbeitsrechtlichen Verfahren nur, wenn die Beweismittel rechtswidrig erlangt wurden. Für den Bereich des allgemeinen Zivilrechts enthält die Zivilprozessordnung (ZPO) keine Regelung, ob und unter welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweismittel verwertet werden dürfen. Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass materiell rechtswidrig erlangte Beweise (bspw. durch unzulässiges Mithören von Telefongesprächen) generell unverwertbar sind (bspw. LAG Berlin JZ 1982, 258 f.; LG Frankfurt NJW 1982, 1056; LG Kassel NJW-RR 1990, 62). Dagegen geht die höchstrichterliche Rechtsprechung inzwischen davon aus, dass über die Verwertbarkeit im Rahmen einer einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung zu entscheiden ist (BVerfGE 34, 238 ff.; BGH Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17). Bei der Abwägung sind das Interesse des Unternehmens an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seines Rechts auf rechtliches Gehör und dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege sowie das entgegenstehende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zu berücksichtigen.

  1. Beweisverwertungsverbote im Arbeitsrecht

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren (bspw. bei Kündigung des betreffenden Mitarbeiters) gelten für die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel insoweit strengere Anforderungen. Werden von einem Unternehmen rechtswidrig Beweise erhoben, dürfen diese im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht zugunsten Unternehmens verwertet werden. Grund für die strenge Handhabung ist, dass der Arbeitnehmer ansonsten Eingriffen in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht durch den Arbeitgeber schutzlos ausgeliefert wäre. Eine Verwertung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Interessen des Arbeitgebers das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegen. Ob die interne Untersuchungsmaßnahme zur Erlangung des Beweismittels heimlich oder offen erfolgt ist, ist für die Frage der Verwertbarkeit dabei nicht entscheidend. Die Verletzung von Mitbestimmungs- oder Anwesenheitsrechten des Betriebsrats dürfte nach wohl überwiegender Auffassung nur in absoluten Ausnahmefällen ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage steht indes noch aus.

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