Gefälschter Corona-Impfpass derzeit nicht eindeutig strafbar – aber bald?
Immer öfter gilt die 2G-Regelung und immer häufiger hört man von gefälschten Impfpässen. Doch macht man sich damit strafbar? Die Gerichte beurteilen dies unterschiedlich. Die CDU/CSU-Fraktion will Medienberichten zufolge nun mit einem Gesetzesentwurf die ausgemachte Strafbarkeitslücke schließen.
Hinweis: Auch die Ampel-Fraktionen haben inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt. Unter diesem Link finden Sie ein Update dieses Beitrags.
Ein aktuelles Urteil verdeutlich das Problem: Ein Mann hatte einen mutmaßlich gefälschten Impfpass in einer Apotheke in Nordhorn vorgezeigt, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Die Polizei beschlagnahmte den Impfausweis und beantragte die Bestätigung der Beschlagnahme beim Amtsgericht Osnabrück. Das Amtsgericht lehnte dies ab, weil das Vorzeigen bei der Apotheke nicht strafbar sei.
Nachdem sich das Amtsgericht Wolfsburg sich zuvor für die Bejahung der Strafbarkeit auf den Tatbestand der Urkundenfälschung gestützt und einen Mann mit gefälschtem Impfpass zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, entschied das Amtsgericht Osnabrück anders: Das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Impfausweises sei nicht strafbar, so die Richter, insofern bestehe eine Strafbarkeitslücke.
Das Landgericht Osnabrück bestätigte diese Entscheidung, stellt aber zu gleich fest: Die Sicherstellung des gefälschten Ausweises war trotzdem rechtens.
Warum war das Verhalten nicht strafbar?
§§ 277, 279 StGB stellt die Fälschung von Gesundheitszeugnissen und ihren Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften unter Strafe. Bei einem Impfpass handelt es sich um ein solches Gesundheitszeugnis. Allerdings verlangen die Vorschriften ein Vorlegen bei einer Behörde, zu denen eine Apotheke als privates Unternehmen nicht gehört. So jedenfalls argumentiert das Landgericht und bezieht sich zur Begründung auf die Definition eines Amtsträgers in § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) StGB: Eine Behörde nimmt hiernach Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Eine Apotheke sei aber „nicht in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnet“ und deshalb ein privates Unternehmen.
Die Regelung im Infektionsschutzgesetz, nach der ein Apotheker die Impfung im digitalen Zertifikat „bescheinigt“ (§ 22 Abs. 5 Nr. 1), ändere nichts an der Einordnung der Apotheke als privates Unternehmen.
Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) – also des allgemeinen Grunddelikts – schließt das Landgericht Osnabrück – anders als das Amtsgericht Wolfsburg – wegen der Sperrwirkung der spezielleren und den Täter privilegierenden §§ 277, 279 StGB aus.
Zudem gibt es eine Vorschrift im Infektionsschutzgesetz (§ 75a Abs. 2 Nr. 2 IfSG), die das Gebrauchen einer gefälschten Impfbescheinigung unter Strafe stellt. Adressat der Regelung sind nach Feststellungen des Landgerichts aber nur die Personen, die auch zur Durchführung der Impfung berechtigt sind – in der Regel also der impfende Arzt.
Das Landgericht stellt ausdrücklich fest, dass die Sicherstellung des mutmaßlich gefälschten Impfausweises trotz fehlender Strafbarkeit möglich war. Nach dem niedersächsischen Polizeigesetz können Sachen sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Aufgrund der bestehenden Ansteckungsgefahr, stelle das Gebrauchen eines gefälschten Impfpasses eine solche Gefahr dar und der Ausweis dürfe sichergestellt werden (§ 26 Nr. 1 NPOG).
Wird das Vorzeigen des gefälschten Impfpasses in Zukunft strafbar?
Rechtspolitisch hat die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück große Bedeutung. Wenn gefälschte Impfausweise in privatem Umfeld straffrei vorgezeigt werden können, gilt das auch für Restaurants, Clubs, Konzertbesuche und andere Veranstaltungen. 2G wäre damit nicht mehr effektiv umzusetzen.
Geht es nach dem Vorschlag der Unionsfraktion, soll in Zukunft schon allein die Fälschung von Gesundheitszeugnissen, die eine Schutzimpfung nachweisen, unter Strafe stehen und so auch deren Gebrauch „zur Täuschung im Rechtsverkehr“. Damit wäre auch das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses bei der Apotheke oder bei einem Veranstalter strafbar. Die Täter müssten dann mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Bei besonders schweren Fällen – etwa bei gewerbsmäßiger Fälschung – sollen sogar bis zu zehn Jahre Haft drohen.
Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen reformbedürftig
Die §§ 277 ff. StGB werden seit langem als reformbedürftig angesehen. Immerhin ist dieser Straftatbestand seit seiner Einführung im Jahre 1871 (nicht 1971!) nicht mehr verändert worden. Hauptkritikpunkt ist Folgender: die allgemeine Urkundenfälschung nach § 267 StGB greift bereits dann, wenn eine unechte Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht wird, während die §§ 277 ff. StGB nur dann in Betracht kommen, wenn die Urkunde (d.h. das Gesundheitszeugnis) zusätzlich zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften gebraucht wird. Weil der spezifische Anwendungsbereich der §§ 277 ff. StGB eine Sperrwirkung gegenüber dem allgemeinen § 267 StGB entfaltet, entsteht das schwer nachvollziehbare Ergebnis, dass der Gebrauch eines Gesundheitszeugnisses im privaten Rechtsverkehr straflos bleibt, während dies bei Arbeitszeugnissen oder anderen Urkunden nicht der Fall ist.
Konsequenterweise gibt es dazu aktuelle Reformvorschläge (ganz frisch: Prof. Zieschang in der ZIS Online). Anders als von der Unionsfraktion – deren Entwurf noch nicht öffentlich ist – wird hier allerdings nicht vorgeschlagen, die Strafrahmen zu erhöhen. Dafür besteht auch kein Bedürfnis. Jedenfalls wäre eine Anhebung des Strafrahmens auf bis zu zehn Jahre überzogen. Der Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses wiegt jedenfalls nicht schwerer als ein einfacher Betrug oder eine einfache Körperverletzung. An diesen Maßstäben sollte sich eine Reform orientieren.