Brazilian Buttlift, Liposektionen, Mammaaugmentationen & co. – gesteigerte Aufklärungspflichten und strafrechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Beauty-OPs – also medizinisch nicht indizierte Eingriffe – sind im Trend. Die Zahl der durchgeführten Eingriffe steigt enorm. Ebenso häufen sich die Vorwürfe von Patienten, dass bei ihrer Behandlung etwas schiefgelaufen ist. Das betrifft nicht nur den klassischen Behandlungsfehler, sondern auch den Vorwurf, vor dem Eingriff nicht ausreichend über Risiken oder Alternativen aufgeklärt worden zu sein.
Die Rechtsprechung stellt an die Aufklärung in der Ästhetischen Medizin gesteigerte Sorgfaltsanforderungen. In der Praxis wird die Aufklärung gleichwohl regelmäßig „geschludert“. Das ist unzureichend und kann mit harten strafrechtlichen Folgen für plastische Chirurgen und Ärzten, die auf den Bereich der Ästhetischen Medizin spezialisiert sind, verbunden sein.
Bei Aufklärungspflichtverletzung stehen vornehmlich fahrlässige Körperverletzungs- und Tötungsdelikte im Raum und zwar selbst dann, wenn der Eingriff lege artis durchgeführt wurde. Sie können mit Geld- oder Freiheitsstrafen sanktioniert werden. Aktuell verschärft die Rechtsprechung zudem die strafrechtlichen Auswirkungen von Aufklärungspflichtverletzungen für die schneidenden Fächer. Unter bestimmten Umständen wird bei Aufklärungsfehlern von einer vorsätzlichen Körperverletzung ausgegangen. Das eingesetzte ärztliche Werkzeug wird dann als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Nr. 2 StGB eingestuft. In diesen Fällen kommt eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht. § 224 StGB sieht eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten vor. Im worst-case können diese Strafen auf die Approbation durchschlagen. Um das Strafbarkeitsrisiko zu reduzieren, sollten sich Heilberufsangehörige mit den ihnen obliegenden Aufklärungspflichten auseinandersetzen, diese ernst nehmen und sie in ihrem Alltag berücksichtigen.
Form der Aufklärung
Die Aufklärung muss mündlich erfolgen. Allein die Aushändigung von Aufklärungsbögen reicht nicht aus. Es empfiehlt sich Standardaufklärungsbögen sowie zusätzlich Fotografien und Bilder bei dem Aufklärungsgespräch ergänzend heranzuziehen. Mit den Bildern kann den Patienten ein guter, durchschnittlicher und schlechter Verlauf verdeutlicht werden. Auf den Aufklärungsbögen sollten Unterstreichungen und ggfs. Ergänzungen vorgenommen werden, um belegen zu können, dass über die einzelnen Aspekte tatsächlich gesprochen wurde. Es empfiehlt sich die Dauer des Aufklärungsgesprächs zu dokumentieren – ein längerer zeitlicher Verlauf kann indiziell dafür sprechen, dass eine umfassende Aufklärung erfolgt ist.
Aufklärungsperson
Die Aufklärung muss durch den behandelnden Arzt oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Eine Delegation auf MFA’s oder PJ’ler ist unzulässig.
Adressat der Aufklärung
Adressat der Aufklärung ist der volljährige Patient. Bei minderjährigen Patienten sind die Patienten sowie ihre Sorgeberechtigten aufzuklären.
Zeitpunkt der Aufklärung
Abweichungen bestehen bereits beim Zeitpunkt der Aufklärung. Was bei medizinisch indizierten Eingriffen vertretbar ist, kann bei schönheitschirurgischen Eingriffen zu einer nicht wirksamen Einwilligung führen. Die Aufklärung darf bei stationären Eingriffen nicht zu kurzfristig vor dem Eingriffstermin stattfinden. Der Patient muss noch eine selbstständige Abwägung bzgl. des Für und Wider eines Eingriffs treffen können. Zu spät ist es, wenn der Patient bereits so in die Operationsvorbereitung eingebunden ist, dass die Entscheidung nicht mehr eigenständig getroffen werden kann. Ein Aufklärungsgespräch wird daher bei stationären Behandlungen regelmäßig schon bei der Terminvereinbarung für die stationäre Aufnahme erfolgen müssen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11. Oktober 2005 – 8 U 47/04). Bei ambulanten Eingriffen kann hingegen eine Aufklärung am Tag der Durchführung des Eingriffs noch ausreichend sein (OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 08. Oktober 2019 – 4 U 1052/19). Das dürfte insbesondere bei Botox-Behandlungen der Fall sein.
Inhalt der Aufklärung
Inhaltlich müssen die Patienten besonders sorgfältig und umfassend aufgeklärt werden. Sie müssen umso ausführlicher und eindrücklicher über Erfolgsaussichten und schädliche Folgen eines Eingriffs aufgeklärt werden, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten ist (BGH, Urt. v. 14. März 2006 – VI ZR 279/04). Die Patienten müssen darüber unterrichtet werden, welche Verbesserungen sie günstigenfalls erwarten können. Auf der anderen Seite müssen ihnen etwaige Risiken deutlich vor Augen geführt werden, damit sie genau abwägen können, ob sie einen Misserfolg des Eingriffs oder sogar gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen wollen, selbst wenn diese auch nur entfernt als Folge des Eingriffs in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 14. März 2006 – VI ZR 279/04). Verschlechterungsmöglichkeiten müssen in aller Deutlichkeit angesprochen werden (OLG Köln, Beschl. v. 12. August 2008 – 5 U 47/09). Darüber hinaus sind Patienten umfassend über Behandlungsalternativen aufzuklären (OLG Köln, Beschl. v. 12. August 2008 – 5 U 47/09). Sie müssen durch die Aufklärung in die Lage versetzt werden, die Vorteile der beabsichtigten kosmetischen Veränderungen gegenüber den mit dem Eingriff verbundenen Risiken und den sich daraus ergebenden auch kosmetischen Nachteilen abzuwägen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. Oktober 1997 – 8 U 102/96). Die Rechtsprechung verlangt insoweit eine drastische und schonungslose Aufklärung (OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 08. Oktober 2019 – 4 U 1052/19). Zum Teil wird von einer geschuldeten „Totalaufklärung“ gesprochen (LG Flensburg, Urt. v. 21. Februar 2006 – 1 S 116/05 = BeckRS 2006, 2541).
So sind Patienten zum Beispiel vor einem Brazilian-Buttlift eindringlich über die Risiken der Entnahme und Applikation größerer Mengen Fett und die damit einhergehende überproportional steigende Gefahr von inneren Blutungen, Fettembolien und Kreislaufversagen zu belehren (LG Düsseldorf, Urt. v. 16. November 2021 – 1 Ks 24/20). Es muss darauf hingewiesen werden, dass das Risiko von Komplikationen und sogar tödlichen Verläufen steigt, je mehr Fett dem Körper entnommen oder diesem wieder zugeführt wird (LG Düsseldorf, Urt. v. 16. November 2021 – 1 Ks 24/20). Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die Eingriffe – gerade auch wegen der großen bewegten Fettmengen und zur Minimierung des damit jeweils einhergehenden Risikos – auf mehrere Eingriffe verteilt werden können (LG Düsseldorf, Urt. v. 16. November 2021 – 1 Ks 24/20). Bei Bauchdeckenstraffungen ist unter anderem über das Risiko von Sensibilitätsstörungen, Spannungsgefühlen und die Narbenlänge aufzuklären (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 11. Oktober 2005 – 8 U 47/04). Ebenso ist – wie bei vielen Operationen – über die Möglichkeit von Nervenverletzungen, Infektionen, Nahtinsuffizienzen, Wundheilungsstörungen und Asymmetrien aufzuklären (OLG Köln, Urt. v. 19. November 2008 – 5 U 192/04). Bei Liposuktionen müssen unter anderem Dellenbildungen, Narbenbildungen und Nekrosen thematisiert werden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. März 2003 – 8 U 18/02). Bei Brustvergrößerungen müssen unter anderem Narbenbildungen, Sensibilitätsstörungen und je nach Verfahren über das Risiko lebenslänglicher Schmerzen aufgrund von Brustmuskelüberdehnungen angesprochen werden (OLG München, Urt. v. 19. September 1985 – 24 U 117/85; OLG Hamm, Urt. v. 29. März 2006 – 3 U 263/05).
Wirtschaftliche Aufklärung
Die Patienten sind vor dem Abschluss des Behandlungsvertrages schriftlich über die ihnen entstehenden Kosten aufzuklären. Bei „Beauty-Eingriffen“ werden die Kosten regelmäßig nicht von den Krankenkassen übernommen. Wird die wirtschaftliche Aufklärungspflicht verletzt, droht dem Arzt zwar keine Strafbarkeit wegen Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten. Es entsteht jedoch ein Schadensersatzanspruch des Patienten, der mit dem Vergütungsanspruch aufgerechnet werden kann.
Sollte Ihnen als Heilberufsangehöriger eine Aufklärungspflichtverletzung vorgeworfen werden oder haben Sie Fragen zur Umsetzung der Vorgaben der Rechtsprechung bei Ihnen in der Praxis/Klinik, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.