Steuerdelikte durch Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer – Berufsrechtliche Folgen

Berufsrechtliche „Nebenfolgen“ von Steuerdelikten können Angehörige steuer- und rechtsberatender Berufe empfindlicher treffen als die eigentliche strafrechtliche Sanktion. Entgegen einer verbreiteten Sorge führt eine Steuerhinterziehung in der Regel nicht zu einem Berufsverbot oder gar zur Ausschließung aus dem Beruf, sondern lediglich zu einem Verweis mit Geldbuße. Die Auswertung veröffentlichter Gerichtsentscheidungen zeigt, dass nur in sehr schweren oder Wiederholungsfällen ein Berufsverbot oder eine Ausschließung aus dem Beruf verhängt wird. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Risikobereiche, die von den Gerichten verhängten Sanktionen und das System der Mitteilungspflichten.   

Nach den jeweiligen Berufsordnungen (Steuerberatungsgesetz, Bundesrechtsanwaltsordnung, Wirtschaftsprüferordnung) wird gegen einen Berufsangehörigen, der schuldhaft Berufspflichten verletzt, eine berufsgerichtliche bzw. berufsaufsichtliche Sanktion verhängt.

Innerberufliches Verhalten

Jeder Verstoß gegen steuerliche Pflichten im beruflichen Kontext stellt eine Verletzung der Pflicht zur gewissenhaften Ausübung des Berufs dar. Das Verhalten muss nicht den Tatbestand einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erfüllen. Bereits ein fahrlässiger Verstoß gegen steuerliche Pflichten mit beruflichem Bezug reicht aus, um eine Sanktion zu rechtfertigen. Typische Fälle sind:

  • Beteiligung des Berufsangehörigen an der Steuerhinterziehung eines Mandanten (Steuerhinterziehung mit Mandatsbezug),
  • Hinterziehung oder leichtfertige Verkürzung von Steuern aus der eigenen beruflichen Tätigkeit (Ertrag- und Umsatzsteuern, Lohnsteuer etc.)
  • (mindestens fahrlässige) Verletzung steuerlicher Abgabe- und Zahlungspflichten aus der eigenen beruflichen Tätigkeit.

Außerberufliches Verhalten

Davon zu unterscheiden sind steuerliche Verfehlungen, die der Berufsangehörige „als Privatmann“ begeht. Verschweigt er zum Beispiel in seiner Steuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalerträge, handelt er in der Regel berufsunwürdig. Bei Rechtsanwälten und Steuerberatern kann ein solches außerberufliches Verhalten jedoch nur dann geahndet werden, wenn es den Tatbestand einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erfüllt. Dies trifft auf eine Steuerhinterziehung und eine leichtfertige Steuerverkürzung zu, nicht jedoch auf die einfach fahrlässige Verletzung steuerlicher Pflichten. Die Wirtschaftsprüferordnung enthält keine vergleichbare Einschränkung, so dass die Berufsaufsicht bereits die einfach fahrlässige Verletzung steuerlicher Abgabe- und Zahlungspflichten im privaten Bereich ahnden kann.

Zusätzlich muss das außerberufliche Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer Weise zu beeinträchtigen, die für die Ausübung der Berufstätigkeit bedeutsam ist. Bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern wird zusätzlich das Ansehen des Berufsstands geschützt. Kriterien sind insbesondere: die Begehungsweise, die Schwere und die Anzahl der Verstöße sowie die Nähe zum Aufgabenfeld des Berufsangehörigen. Bei einer außerberuflich begangenen (vorsätzlichen) Steuerhinterziehung, insbesondere durch unrichtige Angaben, werden die Voraussetzungen in der Regel als erfüllt angesehen. Gerade von einem Organ der Rechtspflege kann nach der Rechtsprechung erwartet werden, dass es im Umgang mit Behörden wahrheitsgetreu handelt. Dagegen dürfte eine einmalige leichtfertige Verkürzung privater Steuern nicht geeignet sein, Achtung und Vertrauen in einer bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Nebeneinander von strafrechtlicher und berufsrechtlicher Sanktionierung (beruflicher Überhang)

Ist gegen den Berufsangehörigen eine Strafe oder Geldbuße verhängt worden, kommt eine zusätzliche berufsrechtliche Ahndung nur in Betracht, wenn sie erforderlich ist, um ihn zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten (sog. beruflicher Überhang). Dafür müssen grundsätzlich konkrete Umstände vorliegen. Ein Teil der Gerichte hält jedoch in einer typisierenden Betrachtung eine zusätzliche Ahndung „regelmäßig“ für erforderlich, wenn der Berufsangehörige in schwerwiegender Weise gegen Berufspflichten verstößt, insbesondere wenn es sich um Pflichten handelt, die zum Kernbereich der beruflichen Tätigkeit gehören. Dies wurde angenommen für Steuerdelikte eines Steuerberaters im beruflichen Bereich (auch in Bezug auf Steuern aus eigener beruflicher Tätigkeit), nicht jedoch für eine durch einen Rechtsanwalt begangene (Lohn-)Steuergefährdung als Ordnungswidrigkeit.

Bei Steuerberatern soll eine zusätzliche Ahndung nach dem Wortlaut des im Jahr 2021 reformierten Gesetzes auch allein zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes zulässig sein. Es dürfte sich insoweit um ein Redaktionsversehen handeln, da der Gesetzgeber die Berufsordnungen insoweit vereinheitlichen wollte.

Selbstanzeige

Eine Selbstanzeige schließt eine berufsrechtliche Sanktionierung nicht aus. Sie kann jedoch dazu führen, dass das Verfahren aus Opportunitätsgründen z.B. gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wird (siehe nunmehr auch § 67a WPO-neu). Wird das Verfahren nicht eingestellt, ist die Selbstanzeige jedenfalls im Rahmen der Zumessung zu Gunsten des Berufsangehörigen zu berücksichtigen: Eine Selbstanzeige stellt nach der Rechtsprechung einen besonderen Umstand dar, der selbst bei schwersten beruflichen Verfehlungen dazu führen kann, dass von der Ausschließung aus dem Beruf abgesehen wird.

Sanktionen

Die Berufsordnungen sehen ein nach ihrer Schwere abgestuftes Sanktionsinstrumentarium vor:

  • Rüge durch den Vorstand,
  • Warnung und Verweis (nur bei RA und StB),
  • Geldbuße bis zu 50.000 € (bei RA und StB) bzw. bis zu 500.000 € (bei WP),
  • Verbot, auf bestimmten Rechts- bzw. Tätigkeitsgebieten für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden (bei RA und WP),
  • Berufsverbot für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren (nur StB und WP) und
  • Ausschließung aus dem Beruf.

Überblick über Sanktionen gegen Berufsangehörige

Die veröffentlichten Entscheidungen zu steuerlichen Verfehlungen von Berufsangehörigen betreffen ganz überwiegend Steuerberater. Da sich die Pflichtenbindungen bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern im steuerlichen Kontext weitgehend decken, kann die Judikatur auch insoweit eine Orientierungshilfe bieten. 

Sachverhalt Sanktion
Nichtabgabe eigener Steuererklärungen für 4 Jahre, Steuerrückstand von ca. 40.000 € (LG Hannover 16.04.2018, 44 StL 2 StV 31/17) Verweis und Geldbuße v. 5.000 €
Fahrlässige Nichtabgabe von LSt-Erklärungen für Mandanten (LG Frankfurt 19.08.2011, 5/35 StL 8/11) Verweis und Geldbuße v. 500 €
Hinterziehung privater ESt (357.000 €) auf ausl. Kapitaleinkünfte, Selbstanzeige (LG Frankfurt 07.12.2018, 5/35 StL 8/18) Verweis und Geldbuße v. 8.000 €
Jahrelange Hinterziehung berufsbezogener Steuern (ca. 150.000 €), Verurteilung zu 320 Tagessätzen (LG Frankfurt 19.06.2018, 5/35 StL 1/18) Verweis und Geldbuße v. 10.000 €
Bedingt vorsätzliche Hinterziehung berufsbezogener Steuern (289.000 €), Selbstanzeige (LG Frankfurt 17.06.2011, 5/35 StL 7/11) Verweis und Geldbuße v. 2.000 €
Hinterziehung von USt als GF einer Steuerberatungsgesellschaft (über 1 Mio. €) durch nicht rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen für 8 Jahre, Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe von 11 Monaten (LG Nürnberg-Fürth 07.02.2024, 18 StL 4/23) Verweis und Geldbuße v. 30.000 €
Hinterziehung von Steuern zu Gunsten eines Mandanten (ca. 350.000 €) und von berufsbezogenen eigenen Steuern, Selbstanzeige, 620 Tagessätze (LG Frankfurt 11.12.2009, 5/35 StL 7/09) Verweis und Geldbuße v. 20.000 €
Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Mandanten (98.000 €), 160 Tagessätze (LG Koblenz 06.05.2014, 10 StL 3/13) Verweis und Geldbuße v. 6.000 €
Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Mandanten in 8 Fällen (850.000 €), 1 J. 6 M. Freiheitsstrafe auf Bewährung (LG Nürnberg-Fürth 02.12.2016, 1 StL 14/16) Berufsverbot (1 J.)
Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe eigener USt- und ESt-Erklärungen in 20 Fällen, Nichtabführung von Beiträgen zum Versorgungswerk, Nichterreichbarkeit für die StBK (LG Potsdam 08.04.2014, 31 StL 3/12) Berufsverbot (1 J.)
Wiederholte Steuerhinterziehung zu eigenen Gunsten trotz mehrfacher berufsrechtlicher Vorbelastung und Androhung der Ausschließung aus dem Beruf, keine Haftpflichtversicherung (LG Kiel 26.10.2009, 29 StL 1/09) Berufsverbot (2 J.)
Veruntreuung von Mandantengeldern i.H.v. 550.000 € (2 J. Freiheitsstrafe auf Bewährung), Hinterziehung von Steuern zu Gunsten eines Mandanten und zu eigenen Gunsten (200 Tagessätze), weitere Pflichtverletzungen (BGH 06.08.1993, StbSt (R) 1/93) Ausschließung aus dem Beruf
Hinterziehung eigener beruflicher Steuern; drei vorausgegangene berufsgerichtliche Verfahren; viele schwere Pflichtverletzungen, Vollstreckungsmaßnahmen mit eidesstattlicher Versicherung und Haftbefehl (BGH 27.08.1979, StbStR 7/79) Ausschließung aus dem Beruf
Zwei Verurteilungen wegen Untreue (90 Tagessätze u. 1 J. 5 M. auf Bewährung, im zweiten Fall wg. 408.000 €) und Hinterziehung eigener beruflicher Steuern in 7 Fällen (ca. 328.000 €, 340 Tagessätze) (AGH Hamm 02.12.2022, 2 AGH 2/22; BGH 22.08.2023, AnwSt (R) 1/23) Ausschließung aus dem Beruf

Maßnahmen gegen Berufsausübungsgesellschaften

Wegen einer innerberuflich begangenen steuerlichen Verfehlung kann auch die Berufsausübungsgesellschaft selbst sanktioniert werden. Taten von Leitungspersonen werden der Berufsausübungsgesellschaft ohne weitere Voraussetzungen zugerechnet, Taten von Nichtleitungspersonen nur bei Vorliegen eines Compliance-Defizits. Bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden nur Berufspflichtverletzungen erfasst, welche die Durchführung einer gesetzlichen Abschlussprüfung betreffen.

Mitteilungen

Ein System von Mitteilungspflichten stellt sicher, dass Berufskammern über steuerliche Verfehlungen von Berufsangehörigen informiert werden.

In Steuerstrafverfahren gegen Berufsangehörige teilen die Staatsanwaltschaft oder die Strafsachenstelle des Finanzamts der Berufskammer grundsätzlich erst die Erhebung der öffentlichen Klage mit (Nr. 23 Abs. 1, Nr. 24 Abs. 1 MiStra). Die zuständige Rechtanwaltskammer wird jedoch bereits über die Einleitung des Strafverfahrens informiert, wenn der Vorwurf zu einem Berufs- oder Vertretungsverbot gegen einen Rechtsanwalt führen kann.

In Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten erfolgt eine Mitteilung an die Berufskammer im Rahmen der Anhörung vor Erlass eines Bußgeldbescheides nur für den Fall, dass der Berufsangehörige die Tat in Ausübung seines Berufs bei der Beratung in Steuersachen begangen hat (§ 411 AO). Dementsprechend löst die leichtfertige Steuerverkürzung in privaten Angelegenheiten die Mitteilungspflicht nicht aus.

Zudem haben Finanzbehörden den Berufskammern Daten zu übermitteln, die für die Einleitung und Durchführung von berufsaufsichtlichen Verfahren erforderlich sind. Als Beispiele für steuerliche Verfehlungen nennt die Finanzverwaltung unter anderem wiederkehrende oder nicht beitreibbare Steuerrückstände sowie Steuerhinterziehung oder Nichtabgabe von Steuererklärungen (auch in eigenen Steuerangelegenheiten). Auslöser der Mitteilungspflichten soll der konkrete Verdacht sein, dass der Berufsangehörige seine Berufspflichten schuldhaft (mindestens fahrlässig) verletzt hat. Es ist umstritten, wie stark der Verdacht sein muss, um eine Mitteilung an die Berufskammer auszulösen. Vielfach wird ein Anfangsverdacht (konkrete tatsächliche Anhaltspunkte) für ausreichend gehalten. Soweit die Steuerfahndung und die Bußgeld- und Strafsachenstellen betroffen sind, wird jedoch erst der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls (hinreichender Tatverdacht) mitgeteilt.

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