Hinweisgeberschutzgesetz im Gesundheitswesen – Zwischen Meldestelle und Schweigepflicht
Im Juli 2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinschG) in Kraft getreten. Es gilt auch für Unternehmen im Gesundheitswesen. Das Ziel ist, den Schutz für Hinweisgebende zu verbessern und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Damit wird die EU-Whistleblower-Richtlinie umgesetzt.
Im Gesundheitswesen gibt es ein überdurchschnittlich hohes Interesse daran, Hinweisgebende zu schützen und ihre Rechtssicherheit zu gewährleisten. Schließlich sind im Gesundheitswesen nicht nur Individual-, sondern auch Kollektivrechtsgüter betroffen. Außerdem hat die Gesundheitsbranche eine große Bedeutung für die Volkswirtschaft. Aber wie passen Whistleblowing und Schweigepflicht überein? Die wichtigsten Antworten gibt es in diesem Beitrag.
Anlaufstellen im Gesundheitswesen schon länger vorhanden
Fehlverhalten im Gesundheitswesen hat nicht nur eine medizinische und ökonomische Dimension, sondern wirkt auch stark und nachhaltig auf die Reputation von Institutionen und Unternehmen sowie das Vertrauen der Bevölkerung, deshalb gibt es schon länger sehr unterschiedlich ausgestaltete Anlaufstellen für Whistleblower im Gesundheitswesen. Hinzu kommen jetzt die Meldestellen nach dem HinSchG. Ob sie in Konkurrenz zu den bisherigen Anlaufstellen treten, sich beides ergänzt oder ob sich eventuell sogar Synergien ergeben, bleibt noch abzuwarten.
Whistleblower im Gesundheitswesen
Fehlverhalten wird auch im Gesundheitswesen eher selten gemeldet. Grund dafür ist vor allem die Angst der Whistleblower vor negativen Reaktionen von Vorgesetzten oder aus dem beruflichen Umfeld. Das HinSchG soll hier Abhilfe schaffen und gewährleistet den Schutz der Hinweisgebenden durch
- die Begrenzung der Kenntnis des Hinweises und des Whistleblowers auf einen kleinen Personenkreis,
- das Verbot von Repressalien aufgrund des Hinweises,
- eine Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgebenden und
- durch Regelungen zu möglichem Schadensersatz.
Dieser Schutz erstreckt sich nicht nur auf die Hinweisgebenden selbst, sondern auch auf Personen, die von Hinweisen betroffen sind. Er gilt auch für diejenigen, die Hinweise einreichen, die auf Fehlannahmen beruhen – wenn nicht in böser Absicht gehandelt wurde.
Meldestellen müssen auch im Gesundheitswesen eingerichtet werden
Unternehmen sind seit Inkrafttreten des Gesetzes am 02. Juli 2023 verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Ab 50 bis 249 Beschäftigte gilt eine Übergangsregel. Hier muss die Meldestelle bis zum 17.12.23 eingerichtet sein. Für Konzerne ist noch unklar, ob eine konzernweite Meldestelle zulässig ist. Laut Expertenkommission der EU ist das eher fragwürdig, vor allem wenn es um länderübergreifende Konzerne geht.
Die Meldungen selbst müssen schriftlich oder mündlich erfolgen können. Für beide Varianten müssen Kanäle zur Meldestelle vorgehalten werden (Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Intranet etc.). Mitarbeitende, die die Meldestelle betreuen, dürfen bei der Bearbeitung von Hinweisen keine Interessenskonflikte haben und müssen Vorgänge dokumentieren. Juristische Kompetenz sollte, in gewissem Umfang, vorhanden sein. Nur so kann entschieden werden, wie mit Hinweisen umzugehen ist, ob sie bspw. an eine Behörde weitergeleitet werden müssen. Gerade im gesundheitlichen Bereich ist hier Fachkompetenz entscheidend. Neben den unternehmensinternen Meldestellen gibt es auch externe Anlaufstellen für Whistleblower. Sie können frei wählen, welche Option sie nutzen.
Hinweise können darüber hinaus auch anonym eingereicht werden. Für Unternehmen besteht aber keine Pflicht, Anonymität zu gewährleisten. Gerade für Gesundheitseinrichtungen können anonyme Hinweise allerdings wertvoll sein. Schließlich geht es darum, Fehlverhalten aufzudecken, das zu Rufschädigung und Beeinträchtigung der Arbeit führen kann. Hier ist es sinnvoll, sich intern umfassend und schnell um Vorwürfe zu kümmern.
Hinweise im Gesundheitswesen
Hinweise, die im medizinischen Umfeld besonders relevant sind, beziehen sich zum Beispiel auf: Tötungs- oder Körperverletzungsdelikte wegen (fahrlässiger) Behandlungs- oder Organisationsfehler, Verstöße gegen die Schweigepflicht, Delikte des Wirtschaftsstrafrechts wie bspw. Abrechnungsbetrug, Vertragsarztuntreue, Korruption im Gesundheitswesen, Verstöße gegen das BtMG sowie Hygienemängel und Sachverhalte, die den Arbeitsschutz betreffen. Die Liste ist lang.
Das HinSchG greift auch weitere Vorschriften aus dem Bundes- und Landesrecht auf, die zum Beispiel mit Geldwäscheprävention oder Umwelt- und Datenschutz in Zusammenhang stehen und auch für das Gesundheitswesen gelten. Nicht abgedeckt werden hingegen rein unternehmensinterne Regelungen.
Schweigepflicht bei Hinweisen im Gesundheitswesen
Von den Regelungen des HinSchG sind solche Sachverhalte ausgenommen, die unter die ärztliche Schweigepflicht fallen. Die unabgestimmte Weitergabe von bspw. Patientendaten wird auch durch das HinSchG nicht gerechtfertigt. Hinweise, die anonymisierte Patientendaten betreffen, sind zwar zulässig, dafür aber komplex in der Aufklärung.
Generell ist die Schweigepflicht in Hinweisfällen immer gesondert zu betrachten. Deswegen ist damit zu rechnen, dass im medizinischen Bereich komplexe Einzelfallprüfungen im Zusammenhang mit dem HinSchG notwendig werden.
Sie benötigen Hilfe bei der Einrichtung Ihrer Meldestelle, der Beschulung Ihres Personals oder bei der Beurteilung und Bearbeitung konkreter Fälle? Sprechen Sie uns gerne an.