BGH: Drohende berufsrechtliche Konsequenzen für Apotheker sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen

Die Einleitung eines Strafverfahrens bis hin zu einer Hauptverhandlung mit anschließender Verurteilung stellt den „worst case“ für jeden Betroffenen dar. Hängen von dem Ausgang des Strafverfahrens – wie beispielsweise bei Apothekern oder Ärzten –berufsrechtliche Konsequenzen ab, können diese Auswirkungen im Einzelfall besonders gravierend sein.  

Die Höhe der individuellen Strafe – also die Frage „Welche Strafe kommt dabei im konkreten Einzelfall für mich heraus?“ – bestimmt sich nach einer Abwägung aller Umstände im Rahmen der Strafzumessung. In diesem Zusammenhang sind für den betroffenen Berufsträger neben der eigentlichen Geld- bzw. Freiheitsstrafe insbesondere auch mögliche berufsrechtliche Konsequenzen von enormer Bedeutung. Die Antwort auf die Frage „Darf ich meinen Beruf weiterhin ausüben?“ kann mitunter Auswirkungen auf die gesamte berufliche und wirtschaftliche Existenz entfalten.

Der Bundesgerichthof (BGH) hat mit Beschluss vom 15. März 2022 (5 StR 497/21) nunmehr bestätigt, dass bei einer Verurteilung im Rahmen der Strafzumessungserwägungen stets auch die einem Angeklagten drohenden und in Betracht kommenden berufsrechtlichen Konsequenzen zu berücksichtigen sind.

Worum ging es?

Der Entscheidung des BGH lag ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. September 2021 (Az. (533 KLs) 243 Js 601/17 (20/20)) zugrunde.

Das Landgericht hatte den Angeklagten, einen approbierten Apotheker und Inhaber einer Apotheke, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in 28 Fällen sowie wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Das erstinstanzliche Urteil enthielt die Feststellung, dass die Anordnung eines Berufsverbotes nach § 70 StGB  ausscheide, da keine negative Gefahrenprognose für den Angeklagten vorläge, dass er auch in Zukunft seinen Beruf zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen werde.

In den Ausführungen zur Strafzumessung enthielt das Urteil allerdings keine Erwägungen in Bezug auf mögliche Konsequenzen nach den einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften für Apotheker, die sich z.B. aus der Berufsordnung für Apotheker ergeben.

Beschluss des BGH

Auf die Revision des angeklagten Apothekers hob der BGH das erstinstanzliche Urteil im Strafausspruch auf und verwies die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Senat konnte nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer geringeren Freiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es mögliche berufsrechtliche Folgen für den Apotheker bei der Bemessung seiner Strafe berücksichtigt hätte.

Die im vorliegenden Fall zur Verurteilung führenden Straftaten beging der Apotheker unter Ausnutzung seiner beruflichen Stellung. Laut BGH liege insoweit nahe, dass die Approbation des Angeklagten nach § 6 Abs. 2 BApO widerrufen und die Erlaubnis zum Betreiben der Apotheke nach § 3 Nr. 3 Apothekengesetz (ApoG) erlöschen werde.

Die einer Verurteilung zugrundeliegenden Ausführungen zur Strafzumessung müssten daher ausdrücklich erkennen lassen, dass das Gericht gerade auch „mögliche berufsrechtliche Konsequenzen“ (z.B. den drohenden Verlust der beruflichen Existenz aufgrund des Widerrufs der Approbation als berufsrechtliche Folge) in seine Erwägungen einbezogen habe.

Es sei nicht ausreichend, dass das Gericht außerhalb der Strafzumessung die Anordnung eines Berufsverbotes (§ 70 StGB) erörtert und im Ergebnis abgelehnt habe (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 StR 256/16).

Wie bestimmt sich die Strafzumessung im Einzelfall?

Bei der Strafzumessung sind die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB).

Bereits insoweit ist ein individueller Maßstab anzusetzen. Zudem müssen aus den Gründen des Strafurteils die Umstände, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind, hervorgehen (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO). Hierzu gehören nach Auffassung des BGH auch die berufsrechtlichen Nebenfolgen einer Verurteilung, welche in letzter Konsequenz sogar zu einem Ausschluss aus dem Beruf führen können. Dies gilt nicht nur bei Beamten, sondern auch bei bestimmten anderen Berufsgruppen, beispielsweise bei Apothekern.

Wann können berufsrechtliche Konsequenzen drohen?

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu betonen: Nicht jede strafrechtliche Verfehlung führt automatisch zum Widerruf der Approbation. Zudem entfaltet die strafgerichtliche Entscheidung für die Approbationsbehörde auch keine grundsätzliche Bindungswirkung im Verfahren zum Widerruf der Approbation. Ob berufsrechtliche Konsequenzen gegen den Arzt oder Apotheker in Betracht zu ziehen sind, richtet sich u.a. nach Art und Schwere des Tatvorwurfs und hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.

Wann erfolgt der Widerruf der Approbation gemäß § 6 Abs. 2 Bundes-Apothekerordnung (BApO)?

Die Bundes-Apothekerordnung (BApO) regelt wichtige Berufspflichten eines Apothekers bzgl. der Anforderungen über den Zugang sowie über die Ausübung des Apothekerberufs bis hin zur Zurückname bzw. den Widerruf der Approbation des Apothekers.

Die Approbationsbehörde muss die Approbation gemäß § 6 Abs. 2 BApO zwingend widerrufen, wenn sich der Apotheker nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt.

Unwürdigkeit bzw. Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt „Unwürdigkeit“ in diesem Sinne vor, wenn der Betroffene „durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 – 3 B 87/92).

Der Begriff der Unzuverlässigkeit ist hingegen „durch die Prognose gekennzeichnet, ob der Betroffene in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 3 B 75/90).

Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit kann berufsbezogenen Verfehlungen eine besondere Bedeutung zukommen. Je schwerer allerdings der Tatvorwurf wiegt, desto geringeres Gewicht wird dem Kriterium der Berufsbezogenheit bei der Bewertung beigemessen. Dies kann z.B. bei schweren, von der Allgemeinheit besonders missbilligten Vorsatztaten, insbesondere bei Verbrechenstatbeständen wie vorsätzlichen Tötungsdelikten der Fall sein.

Bei geringerem Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat bzw. geringerer Schwere der Schuld, kommt der Berufsbezogenheit bei der Bewertung eine stärkere Bedeutung zu. Beispielsweise können vorsätzliche Körperverletzungsdelikte sowie Vermögensdelikte unter Ausnutzung der beruflichen Stellung das Vertrauen in die berufliche Stellung erschüttern und schließlich zum Widerruf der Approbation führen.

Fazit

Nicht jede strafrechtliche Verfehlung bedeutet automatisch auch berufsrechtliche Konsequenzen für den Arzt oder Apotheker oder führt zum Widerruf der Approbation. Die Erörterung und Berücksichtigung dieser möglichen berufsrechtlichen Folgen für den Betroffenen im Rahmen der Strafzumessung des Urteils ist aber deshalb geboten, weil die Strafe für den Berufsträger im Einzelfall weitreichende Auswirkungen entfalten kann. Ein möglicher Widerruf der Approbation führt mitunter dazu, dass die gesamte berufliche und wirtschaftliche Existenz als Arzt oder Apotheker auf dem Spiel steht. Das Gericht hat diese „berufsrechtlichen Risiken und Nebenwirkungen“ bei der Bemessung der konkreten Strafe daher explizit zu berücksichtigen.

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