eSport, Gaming und Strafrecht Teil 1: Cheating, Doping, Game-Fixing – Risiken für Spieler im eSport
Gaming boomt. Die Industrie wächst rasant – und das nicht erst seit Beginn der Pandemie, wenngleich nicht wenige Menschen auch hierzulande während des Lockdowns ihre alten Konsolen wieder flott gemacht und viel Zeit mit Computerspielen verbracht haben. Im professionellen Gaming-Bereich, dem eSport, steigen die Spieler- und Zuschauerzahlen seit Jahren deutlich.
Mit zunehmender Sichtbarkeit im Alltag erfährt der Markt auch zunehmend Regulierung, was wiederum den Bedarf nach rechtlicher Beratung in dem Segment steigen lässt.
Wie so oft ist das Strafrecht jedoch nicht der erste Rechtsbereich, der infolge neuer technologischer Entwicklungen angepasst wird. Vielmehr beginnt die Veränderung im Zivilrecht – genauer gesagt im Verbraucherschutzrecht. Jüngste Änderungen haben massiven Einfluss auf Anbieter von Videospielen. Nur beispielhaft seien hier einige der jüngsten EU-Richtlinien (Digitale-Inhalte-Richtlinie, Warenkauf-Richtlinie und Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften) und das neue deutsche Gesetz für faire Verbraucherverträge genannt. Von deren Umsetzung sind unter anderem das BGB, das EGBGB und das UWG betroffen.
Aktuell sind strafrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Gaming noch nicht an der Tagesordnung. Wenn nun jedoch (beispielsweise im Rahmen des Wettbewerbsrechts) bereits Bußgelder im Raum stehen, ist das Strafrecht allerdings auch nicht mehr allzu weit. Entsprechend wollen wir in einem zweiteiligen Beitrag einmal überlegen, welche strafrechtlichen Risiken mit Gaming verbunden sein könnten. Dieser Teil 1 widmet sich denkbaren strafrechtlichen Risiken für Gamer. In Teil 2 beleuchten wir, was aus strafrechtlicher Sicht auf Publisher zukommen kann.
Videospiele und ihre Regeln
Spieleentwickler, -anbieter und Hardwarehersteller haben mittlerweile eine Vielzahl von Vorgaben zu beachten. Diese betreffen oftmals vor allem ihr Verhältnis zu den Spielern. Insbesondere sind zahlreiche Informations- und Transparenzpflichten einzuhalten. Um diesen Pflichten gerecht zu werden und auch um ihrem gewissermaßen „virtuellen Hausrecht“ eine Gestalt zu geben, unterliegen Spiele meist umfangreichen Regelwerken in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen („EULA“/“End User License Agreements“ und/oder „Terms of Use“). Diese Regelwerke zielen dann auch darauf ab, Manipulationen zu vermeiden und ein „Fair Play“ in der zugehörigen virtuellen Welt zu gewährleisten.
Strafrechtlich ergeben sich daraus für Gamer beispielhaft die folgenden Risikofelder: Cheating, Doping und Game-Fixing. Bei allen dreien entsteht durch regelwidriges Verhalten letztendlich eine Manipulation des Wettkampfs innerhalb eines Spiels.
Ist Cheating Betrug?
„Cheating“ (Betrügerei) meint den Einsatz unzulässiger Hilfsmittel im Sport. Beim Gaming sind das oft Programme, die Spielabläufe in einer Weise verändern, die einem Spieler einen unfairen Vorteil verschaffen. Beispielsweise mit einer Modifikation, die als Zielhilfe in Shooter-Spielen dient (sog. Aim-Bots), oder einem Sichtprogramm, das den Einblick in weitere Bereiche des Spiels ermöglichen, z.B. durch „natürliche“ Sichtblockaden wie Wände oder Büsche hindurch (sog. Wall-Hacks).
Bei Wettkämpfen sind Cheats selbstverständlich nicht erlaubt. Das gilt schon im Kleinen, beispielsweise im Rahmen von Online Multiplayer-Spielen. Wer dann aber sogar in einem mit Preisgeld dotierten Turnier durch den Einsatz solcher Cheats das Turnier gewinnt, kann damit strafrechtlich relevant den Tatbestand des Betrugs erfüllen. Die reine Täuschung oder das reine „Tricksen“, ohne dass ein Vermögensschaden entsteht, reicht allerdings nicht aus, um einen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen.
Mit Blick auf das Erfordernis des Vermögensschadens für einen strafbaren Betrug sei noch folgende Überlegung in den Raum gestellt: Bisher galten nur solche Verträge als zahlungspflichtige Verträge, die eine Gegenleistung in Form von echtem Geld verlangten. Von den neuen Regelungen werden nunmehr allerdings auch solche Verträge erfasst, bei denen die Gegenleistung in personenbezogenen Daten besteht oder in einem anderen Satz Daten von Wert – also beispielsweise In-Game-Währung. Hier kann man die Frage aufwerfen, ob das auf lange Sicht auch bedeuten könnte, dass sich der Vermögensbegriff im Strafrecht ändert. Denn: Gehören nicht alle Werte zum Vermögen eines Menschen, die er vertraglich als Gegenleistung anbieten kann?
Greifen die Cheater außerdem auf den Programmcode eines Videospiels zu, um ihre Hilfsmittel (Bots, Mods, etc.) zu ihrem Vorteil nutzen zu können, kann der Straftatbestand der Datenveränderung (§ 303a StGB) erfüllt sein. Führt ein solcher Zugriff zu einer Störung der Gaming-Plattform insgesamt, kann kniindarüber hinaus der Vorwurf der Computersabotage im Raum stehen (303b StGB).
Game-Fixing
„Game-Fixing“ oder „Match-Fixing“ ist die direkte Manipulation des Wettkampfergebnisses durch das eigene Spielerverhalten. Das wohl häufigste Beispiel ist das „Throwing“. Dabei verliert ein Spieler absichtlich, weil er dafür eine Gegenleistung in Form von Geld oder spielrelevanten Vorteilen erhält. Es findet keine Manipulation des Programms statt. Im Kern handelt es sich hier – analog zum realen Sportwettkampf – um eine Unsportlichkeit, weil absichtlich verloren wird.
Theoretisch möglich wäre, zumindest im professionellen eSport-Umfeld, in solchen Fällen wohl eine Strafbarkeit wegen Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§ 265d StGB), wenn durch das Game-Fixing der konkrete Wettbewerb manipuliert werden soll. Zudem könnte sich der Spieler wegen Sportwettbetrug (§ 265c StGB) strafbar machen. Allerdings erfasst dieser Tatbestand nur Wettbewerbe, die von einer nationalen oder internationalen Sportorganisation veranstaltet oder in deren Auftrag oder mit deren Anerkennung organisiert werden und bei denen Regeln einzuhalten sind, die verpflichtende Wirkung für alle Mitgliedsorganisationen haben. eSports-Wettkämpfe werden aber in der Regel von Publishern, sonstigen Unternehmern oder Vereinen ausgerichtet, die nach herrschender Meinung keine eigene anerkannte Sportorganisation bilden. Das hängt hierzulande vor allem mit der fehlenden Anerkennung von eSport als Sport zusammen.
Doping
„Doping“ kommt im eSport wohl ebenso vor wie im traditionellen Sport. eSportler nehmen für die Wettkämpfe spezielle Mittel ein, die die kognitiven Leistungen – vor allem Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit – erhöhen sollen. Einheitliche Regelungen zu Dopingtests vor großen eSport-Tournieren scheint es noch nicht zu geben. Allerdings führen mittlerweile wohl immer mehr Veranstalter verpflichtende Drogentests ein.
Verstößt ein Sportler gegen das Antidopinggesetz, macht er sich strafbar. Hier stellt sich jedoch wiederum die Frage, ob eSport-Tourniere als „organisierte Wettbewerbe“ im Sinne des Antidopinggesetzes gelten können – vor allem da dem eSport abgesprochen wird, Sport zu sein.
Je nach Substanz kommt allerdings zumindest eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelstrafrecht in Betracht, die jedoch keinen Zusammenhang zum Gaming-Bereich braucht.
Fazit
Die Popularität von Videospielen und auch des eSport wächst, Turniere werden immer lukrativer. Dennoch führt das Fehlverhalten einzelner Teilnehmer bislang nur in Ausnahmefällen zur Anwendung des Strafrechts. Täuschungen sind nur dann strafrechtlich relevant, wenn sie einen Vermögensbezug (nach dem hergebrachten Verständnis) aufweisen. Direkt strafbar ist nur der seltene Fall eines unberechtigten Zugriffs auf die entsprechende digitale Plattform zum Zweck der Manipulation der Spielergebnisse. Ob die Manipulation von ganzen Wettbewerben durch absichtliches Verlieren strafbar ist, scheint in der Praxis noch nicht erprobt.
Insgesamt sprechen gute Gründe dafür, eSport als Sport anzuerkennen und eSport-Veranstaltungen entsprechend langfristig in den Anwendungsbereich des Sportstrafrechts einzubeziehen. Jedenfalls sind die Vorschriften des allgemeinen Strafrechts anwendbar, insbesondere wenn Spieler Betäubungsmittel missbrauchen oder auch ganz profan andere Spieler beleidigen.
Solange sich jedoch kein strafrechtlich relevantes Verhalten begründen lässt, bleibt den Spieleanbietern und Turnier-Veranstaltern als schärfste Waffe wiederum eine Waffe des Zivilrechts im Zusammenhang mit dem (virtuellen) Hausrecht – das „Banning“, also der Ausschluss des Spielers vom Spiel oder einem konkreten Wettbewerb.